Das Klinke-Festival im Merlin versammelt den August über spannende Bands aus der Region.

S-West - Das Sommerloch ist dem Merlin-Team vollkommen fremd. Während andere im Urlaub sind, faul am Baggersee liegen oder so langsam Langeweile bekommen, rotieren die Mitarbeiter und Ehrenamtlichen des Kulturzentrums so sehr wie sonst nie im Jahr. Die Klinke ist das wichtigste Event im Merlin-Kalender. Und auch das mit der größten Außenwirkung. Viele Stuttgarter Karrieren begannen hier an lauen Sommerabenden in der Augustenstraße. Die von Schmutzki etwa, die erst vor wenigen Tagen mit den Toten Hosen auf dem Cannstatter Wasen spielten. Vor 65 000 Leuten.

 

Der Nachwuchs fehlt ein bisschen – auch Klassiker treten nun auf

Arne Hübner, der für das musikalische Programm verantwortlich ist, sieht in Erfolgsgeschichten wie diesen keinen Druck. „So etwas kann man eh nicht planen“, sagt er. Statt also zu hoffen, unter den Bands von heute auch die Stars von morgen zu haben, konzentriert er sich lieber darauf, ein gutes Klinke-Programm zwischen Indie, Pop, Rock, Folk und Experimentellem zusammenzustellen. Leicht war das diesmal nicht, betont er. „Anfangs füllte sich das Programm recht schnell. Zum Ende hin ging mir aber die Luft aus.“ Allzu viel spannende Nachwuchsbands gebe es derzeit nicht, aufgefüllt wurde kurzerhand mit Klinke-Klassikern. Man blickt schließlich nicht umsonst auf 28 Jahre Festivaltradition zurück.

Geschäftsführerin Annette Loers vertieft das noch etwas. „Die Klinke ist ein Nachwuchsfestival für Bands aus der Region. Natürlich gibt es jedes Jahr zig neue Bands. Aber um zur Klinke zu passen, müssen sie durchaus etwas Spannendes bieten und auch ein paar Leute mitbringen.“ Denn obwohl die Klinke mittlerweile einen derart guten Namen hat, dass immer mindestens rund 100 Leute da sind, ist keinem Künstler geholfen, wenn die Außenwirkung bei Null bleibt. „Da ist es doch charmanter, die freien Plätze mit einigen alten bekannten aufzufüllen“, findet Loers. Newcomer gibt es dennoch mehr als genug im Programm. 20 überwiegend lokale Bands verschiedenster Couleur sind es diesmal geworden. Weil das Festival schon am 1. August beginnt und erst am 1. September zu Ende geht, ist es so ausufernd wie lange nicht. Den 1. September nennen intern übrigens alle kurzerhand 32. August. Die Klinke ist schließlich das große Augustfestival im Merlin, da kann auf profane Dinge wie einen Monatswechsel keine Rücksicht genommen werden.

Auf gute Musik dafür umso mehr. Hübner erweist sich wieder mal als geschmackssicherer Booker mit einem Händchen für Antihelden und potenzielle Kultstars von morgen. Gleich zur Eröffnung am 1. August gibt es mit Dia Stuttgarts wahrscheinlich aufregendste Pop-Band der Stunde zu sehen, am 15. August werden die Folker Quiet Lane vorstellig. Das Duo konnte in den letzten Monaten schon sehr viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen und dürfte am Anfang einer großen Karriere stehen.

Loers: „Bringt eure Freunde mit, aber nicht euer Bier!“

Zu einem der Klassiker zählen sicherlich die Stuttgarter Institution Putte & Edgar, die am 31. August wieder zum Tanz aufspielt. Dazwischen gibt es mit Komma Hamburger Schule aus dem Kessel (23. August) und tags darauf mit Noah Kwaku Stuttgarts jüngste Soul-Hoffnung.

Ansonsten ist alles beim Alten: Der Eintritt ist wie immer frei, der hübsche kleine Biergarten wie immer der schönste August-Ort der Stadt. Für den Rest hat Loers einen kleinen Klinke-Knigge ins Programmheft gedruckt. Der liest sich so: „Einlass 20 Uhr, Beginn 21 Uhr, Bettruhe für die Nachbarn 22 Uhr, deshalb: Auf den Wegen rund ums Merlin bitte Ruhe. Für die Bands geht der Hut rum. Lasst es rascheln, nicht klimpern. Unser Thekenteam ist ehrenamtlich: Ihr müsst sie einfach gern haben! Bringt eure Freunde mit, aber nicht euer Bier!“

Alles bis zu einem gewissen Betrag im Hut (Schrauben zählen nicht als Währung!) wird vom Merlin aufgestockt. Finanzierung ist überhaupt ein gutes Stichwort. Erst kürzlich wurde beschlossen, dass die Klinke nicht mehr separat über den Projektfonds unterstützt wird, sondern mit einem gewissen Betrag in die institutionelle Förderung des Merlin eingebunden wird. Somit fällt für das Merlin-Team eine Menge Bürokratie unter den Tisch, weil keine Einzelanträge mehr gestellt werden müssen. „Zudem werden jetzt wieder zusätzliche Gelder für andere Projekte in der Stadt frei“, freut sich Loers. Und Arne Hüber hat noch mehr Zeit, spannende Bands aus Stuttgarts Subkultur ans Licht zu ziehen.