Angelika Thiele und Günther Bacher bieten in Degerloch Kochkurse an. Ihre Spezialität: Schwäbische Maultaschen nach Omas Rezept. Wir waren dabei.

Degerloch - An der Haltestelle Weinsteige ausgestiegen, zücke ich mein Smartphone und aktiviere die Navigations-App. Die brauche ich auch, denn mein Ziel ist die Jahnstraße 92, und hier kenne ich mich absolut nicht aus. Dort findet eine Maultaschenparty statt, die in ein paar Minuten losgeht. Also muss ich mich sputen. Mein elektronisches Helferlein führt mich ein paar Hundert Meter durch ein kleines Waldstück und anschließend links in eine schmale Gasse zum Vereinsheim der Tänzer des Tus Stuttgart. Hier soll eine Kochschule mit gemütlichen Ambiente sein?

 

Vor dem Eingang treffe ich zwei Damen - Britta und Katja. „Bin ich hier richtig für die Maultaschen-Party?“, frage ich. Ein Nicken kommt zurück. Ich klingele, dann stehen die Hausherren Angelika Thiele und Günther Bacher mit einem breiten Lächeln im Türrahmen. Die Aura der beiden strotzt nur so vor Lebensfreude und Gastfreundschaft. „Kommt rein! Fühlt euch wie daheim!“ fordern sie uns auf. In der rechten Wohnungshälfte steht in einem warm beleuchteten Raum schon ein fertig gedeckter Esstisch mit herbstlicher Dekoration. Doch bevor wir es uns hier gemütlich machen, müssen wir erst einmal in der Küche mit anpacken.

So kamen sie auf die Idee für die Kochschule

Zwischenzeitlich sind alle anderen Teilnehmer angekommen. Heute sind es sieben. „Normalerweise kommen hier Gruppen von bis zu zwölf Leuten zusammen“, erklärt Angelika Thiele. „Aber nun ja, Corona“, sagt sie etwas enttäuscht. Heute hätten noch zwei weitere Teilnehmer kurzfristig abgesagt. „Die Menschen sind halt immer noch vorsichtig.“ Die anfängliche Enttäuschung legt die ehemalige Heilpraktikerin aber schnell wieder ab und heißt uns alle bei einem Aperitif, den Günther Bacher reicht, bei sich willkommen.

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Das frisch vermählte Ehepaar erzählt abwechselnd, wie es auf die Idee mit der Kochschule gekommen ist. „Vor zehn Jahren habe ich mal bei der Kochsendung ‚Das perfekte Dinner‘ mitgemacht“, schwelgt Angelika Thiele in Erinnerungen. Den zweiten Platz habe sie da belegt, und ihre Kinder hätten ihr schon immer gesagt, was sie denn für tolle Maultaschen machen würde. „Das Rezept habe ich von meiner Oma überliefert bekommen, und danach kochen wir heute auch.“

Sie sind Mauls & More

Günther Bacher war früher Grafiker und hat sich zur gleichen Zeit dazu entschieden, mit dem Food-Truck namens Mauls & More die Hergottsbescheißerle auf Events anzubieten. „Ich bin Mr. Maul, und sie ist Mrs. More“, sagt er und schaut seine Angelika an. Das hier kann ja nur lecker werden, denke ich mir. Als die Frage nach dem Alter der Maultaschen-Profis aufkommt und beantwortet wird, verschlucke ich mich kurz an meinem Aperitif. 74? Was ihr Geheimnis ist, will ich wissen. „Viel arbeiten und sich mit jungen Menschen umgeben“, heißt es und ich notiere mir das Geheimrezept innerlich. Und dann ist es endlich so weit. Angelika Thiele gibt uns in der Maultaschen-Küche liebevoll Anweisungen, die wir gehorsamst befolgen. Während die Chefin eine kräftige Rinderbrühe zubereitet, dürfen Simon und Britta die Füllmasse für die Maultaschen kneten, ich mache mich derweil an den Kartoffelsalat, und Tanja und Katja bereiten schon einmal die Vanillesoße für den Nachtisch, einen Apfelstrudel, vor. „Den Teig stellen wir aber nicht selbst her“, gibt Angelika Thiele zu. „Das wäre zu zeitintensiv.“ Dafür würden sie ihn aber von einem Familienbetrieb aus Fellbach beziehen, den es schon seit dem Jahre 1876 gebe.

Mehr als 100 Maultaschen produziert

Obwohl wir uns alle vor ein paar Minuten noch fremd waren, ergänzen wir uns sehr gut, und keiner ist sich für eine Aufgabe, wie beispielsweise abzuspülen, zu schade. So langsam macht sich in der Gruppe aber auch der Hunger breit, und wir fangen an, die vorbereitet Füllmasse auf den ausgerollten Teig zu verstreichen, und diesen dann einzurollen. Nach ein paar Versuchen fühlen sich die Handgriffe so an, als hätte man in seinem Leben nie etwas anderes gemacht. Ein Erfolgserlebnis.

Mehr als 100 Maultaschen werden an diesem Abend produziert. Ein paar gehen für die ersten beiden Gänge drauf, die restlichen vakuumieren wir für daheim ein. Im Kühlschrank sind sie dann bis zu zwei Wochen haltbar. Nach der Party laufe ich mit vollem Bauch und Maultaschen im Gepäck zurück zur Stadtbahnhaltestelle. Für mich hat sich das wie eine Folge von „Das perfekte Dinner“ angefühlt. Mit dem Unterschied, dass wir am Ende alle Sieger waren.