Das schriftliche Abi ist geschafft. Am Königin-Olga-Gymnasium sogar mit künstlerischen Beistand aus Paris. Als Mutmacher und Seelenbalsam in schwieriger Zeit.

Stuttgart - Gerade haben sich Paula, Julia, Theresa, Luzie, Sarah und Anke für das Französisch-Abi mit der Analyse der Filmfigur Philippe aus „Ziemlich beste Freunde“ oder alternativ einer Novelle von Guy de Maupassant beschäftigt. Jetzt stellen sie sich aus besonderem Anlass für ein Gruppenfoto mit ihrer Lehrerin Lena Kouam auf: Flagge zeigend im Zeichen der deutsch-französischen Freundschaft mit der Trikolore und der deutschen Fahne. Liegt ja nahe, wenn man die Sprache der Nachbarn lernt und liebt. Aber die Schülerinnen präsentieren noch einen anderen und sehr speziellen Beweis der freundschaftlichen Beziehungen über Grenzen: Blätter, von denen das fett und mit Filzstift geschriebene Wort Wort „L’Amour“ fast ins Auge springt. Es sind Din-A-4-Pläne der Pariser Metro. Übermalt und verfremdet von dem Pariser Künstler Wilfrid Azencoth mit Botschaften wie „L’Amour court les rues“. Rennt die Liebe durch die Straßen? Egal, Hauptsache Liebe, die nach einer anderen Parole „stärker ist als alles, weil sie die ganze Welt braucht und vereint“. Signiert und gewidmet zum Abi 2020. Liebesgrüße als Glück bringender Begleiter durch die Prüfungen.

 

Mutmach-Botschaften für die Schüler

„Wir sind auf diesen Künstler aufmerksam geworden, als wir im Oktober 2018 drei Tage lang in Paris waren“, erzählt Lena Kouam. Auf ihren Streifzügen durch die Quartiers der Stadt entdeckten sie diese Botschaften. Nicht nur auf den Metroplänen, die, wie es heißt, schon begehrt sind und hoch gehandelt werden. Auch auf Zebrastreifen und Sperrmüll. Wilfrid Azencoth, Fotograf und Straßenkünstler, hinterlässt seine Kreationen frei zugänglich für alle Menschen.

Der Künstler und seine Botschaft kamen Lena Kouam jetzt wieder in den Sinn, als sie sah und spürte, wie sehr die Corona-bedingten Spannungen ihre Schüler mitgenommen haben. „Da bin ich auf die Idee gekommen, den Künstler anzuschreiben und ihn um eine Mutmach-Botschaft für unsere Schüler zu bitten. Mit einer Antwort habe sie eigentlich gar nicht gerechnet“, bekennt sie. „Doch der Anruf kam prompt, und fünf Tage später lag ein Brief mit 25 Metroplänen in meinem Briefkasten. Ein tolles Gefühl, eine solche Unterstützung von einem bekannten Künstler zu bekommen. Das beflügelt hoffentlich.“

Das Geschenk hat beflügelt

Natürlich hat es die Beschenkten beflügelt. Aber die Belastung der letzten Wochen ist noch nicht ganz abgeschüttelt: „Man fühlte sich so allein und war ein bisschen verzweifelt“, bricht es aus Paula heraus. Ist jetzt wieder alles gut? Oh nein, der Kummer darüber, dass bei diesem Abi alles anders ist, nagt: „Es gibt keinen Abiball, keine Abi-Reise, die nach Novalja gehen sollte, und die feierliche Übergabe der Zeugnisse ist auch noch fraglich.“ Nicht nur Paula weiß, dass sie auf hohem Niveau jammern und dass es anderswo Menschen wirklich schlecht geht. „Aber Abitur macht man doch nur einmal“, heischt sie um Verständnis. „Das alles lässt sich nicht wiederholen.“ „Es fühlt sich gar nicht so an, als ob wir Abitur gemacht hätten“, bringt es Sarah auf dem Punkt. Dafür sind die Liebesgrüße aus Paris einmalig.