Im Alltag steht man immer wieder vor großen Entscheidungen. Unsere Kolumnistin fragt sich, was sie mit den Gegenständen tun soll, die nur halb kaputt sind?

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Derzeit beschäftigt mich ein großes Thema. Stichwort: geplante Obsoleszenz. Schuld daran ist meine elektrische Zahnbürste. Es ist ein hervorragendes Gerät mit Quadpacer-Intervall-Timer. Ich kann bei den Putzeinstellungen zwischen Clean, GumCare, Polish, Sensitive und White umschalten. Ich könnte meine Zähne dank modernster Akkutechnologie sogar mehrere Tage oder gar Wochen am Stück putzen – ohne aufladen zu müssen. Kann ich aber nicht, weil der Bürstenaufsatz nicht mehr hält. Beim Versuch, das Gerät zu reparieren, ist der wackelnde Zapfen jetzt endgültig abgebrochen.

 

Es gibt eben nicht nur Abrissschrauben, sondern auch Abrisszapfen. Nur der Deckel meines Wasserkochers, der sitzt seit Kurzem satt und fest, als wäre er gleichermaßen genietet, geklebt, getackert und mit Abrissschrauben festgeschraubt. Jetzt stehe ich vor der Entscheidung, ob ich jeden Morgen das Wasser mit einem Trichter durch den winzigen Ausguss einflöße. Oder ob ich einen einwandfrei funktionierenden Wasserkocher „mit stylishem, langlebigem Design und bequemem Flip-Top-Deckel“ zum Elektroschrott trage.

Nicht vom Konsumterror unter Druck setzen lassen!

Eine Freundin meint, ich sei entscheidungsschwach. Zögerlich. Halbherzig. Sie hat dagegen entschieden, sich nicht mehr vom Konsumterror unter Druck setzen zu lassen, von Abrissschrauben, Abrissnippeln und absichtlich verkürzter Lebensdauer von Geräten. Deshalb wird sie ihren Fernseher weiterhin benutzen, selbst wenn ständig eine lilafarbene Linie durchs Bild wandert. Sie bewahrt auch nicht nur mehrere ausrangierte Monitore auf, einen Diaprojektor und einen Schallplattenspieler, sondern auch einen Filmschneidetisch. „Das ist ein echter Steenbeck“, sagt sie stolz, „damit kann man Super-8- und 16-Milimeter-Filme schneiden.“

Hobbybastler, aufgepasst: Eins-a-Ultraschallzahnbürste (Markenprodukt, nur kleine Mängel) günstig abzugeben.

Die Freundin behauptet, dass man Dinge vor allem aufhebt, weil man nicht weiß, wie man sie entsorgen soll. Als sie mir dieser Tage gestand, dass sie jetzt doch einen ganzen Schwung alter Kabel einfach weggeworfen habe, fiel mir wieder ein, dass sie in meinem Keller auch eine Kiste mit alten Farben, Lacken und Sprays „untergestellt“ hat. Was damit jetzt eigentlich sei, wollte ich wissen. Da könne sie sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern. „Aber heb das mal lieber auf“, meinte sie, „dann musst du es schon nicht entsorgen.“