Unsere Kolumnistin hat festgestellt, dass der Mensch ein soziales Wesen ist und sich gern austauscht – wenn auch nicht immer mit jenen, die gerade um ihn herum sind.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Der Mensch isst nicht gern allein. Deshalb haben sich einige Südkoreaner jetzt etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Sie füllen daheim diverse Schüsselchen mit Banchan, Bibimbap und Bulgogi. Sie bereiten Platten mit Kimchi jigae, Galbi und Gimbap. Dann schalten sie ihre Livecam an und beginnen nach einem freundlichen „jal mokgesseumnida“ („Mahlzeit“) mit dem Essen, das live im Internet übertragen wird. Und da offensichtlich viele Koreaner anderen sehr gern während des Essens beim Essen zuschauen, verdient die erfolgreichste Esserin Park Seo-Yeon inzwischen 7000 Euro im Monat mit dem Livefuttern von Banchan, Bibimbap und Bulgogi.

 

Da merkt man erst, wie gut es einem hierzulande geht. In unsere Kantine kann man mit anderen Menschen essen – ohne Aufschlag, Zusatzgebühren oder Aufwandsentschädigung. Tag für Tag. Obwohl ich dieser Tage ganz allein zum Essen gehen musste, konnte ich kostenlos zuschauen, wie ein Mann gemeinsam mit den Kollegen am Tisch saß, aß und telefonierte. Das war extrem beeindruckend, wie er einhändig das Tellerfleisch im Wurzelsud zerteilte, wichtige Verhandlungen führte – und sich dabei nicht einmal vom Gespräch seiner Kollegen ablenken ließ.

Kommunikationsmittel verhindern die Kommunikation

Als ich neulich mit einer Freundin im Restaurant war, spielten am Nebentisch alle nur auf ihren Handys herum. „Das ist doch bescheuert“, schimpfte die Freundin. Ob sich denn heute überhaupt niemand mehr miteinander austauschen wolle? Ständig würden die Leute auf irgendwelchen Geräten Apps und Programme zur Kommunikation installieren – und darüber das Kommunizieren selbst komplett vergessen. Ich habe der Freundin dann erst mal WhatsApp auf dem Smartphone aktiviert und ihr einen wirklich interessanten Link geschickt. Im Internet steht nämlich, dass wir Menschen soziale Wesen sind und der Austausch für uns existenziell ist. Deshalb habe auch jeder ein Recht auf Kommunikation. Steht im Netz.

„Von diesem Recht will ich jetzt sofort und auf der Stelle Gebrauch machen“, sagte die Freundin und rammte zornig die Gabel in ihre Maultasche. Geschmelzte Maultaschen mit Gurken- und Kartoffelsalat! Etwas Langweiligeres kann man sich doch kaum vorstellen! Deshalb habe ich ihr einfach per WhatsApp ein paar blöde Smileys rübergeschickt – und mir lieber Park Seo-Yeon angeschaut. Bei der gibt’s nämlich wenigstens Banchan, Bibimbap und Bulgogi.