Stefan (12 Jahre) lebt mit seiner Mutter in Ahrweiler im Ahrtal. Ein Jahr nach der Überschwemmung erzählt er der Stuttgarter Kinderzeitung, wie er die Tage damals erlebt hat und wie es ihm heute geht.

Mitte Juli 2021 waren viele Regionen im Westen des Landes von heftigen Überflutungen betroffen. Im Haus von Stefan (12) und seiner Mutter in Ahrweiler stand das Wasser drei Meter hoch.

 

Hallo Stefan, wie hast du die Überflutung erlebt?

Ich war gerade ins Bett gegangen und hab schon fast geschlafen. Da ist meine Mutter gekommen und ist mit mir in den zweiten Stock hochgegangen. Wir haben aus dem Fenster geschaut und gesehen, wie das Wasser immer höher stieg. Dann sind Autos vorbeigeschwommen. In der Nacht konnte ich nicht mehr schlafen. Als ich irgendwann ins Treppenhaus geschaut habe, war da alles unter Wasser.

Hatte es Warnungen gegeben?

Die Feuerwehr war durch den Ort gefahren und hat mit Lautsprecherdurchsagen vor Hochwasser gewarnt. Aber so eine Flut hatten wir nicht erwartet.

Was hast du am nächsten Morgen gesehen?

Da war noch Wasser, aber vor allem Matsch. Im Erdgeschoss war alles voller Matsch, das Wohnzimmer, die Küche, der Flur, es war schrecklich.

Wie schlimm waren die Schäden?

Es war sehr viel kaputt. Im Garten, in der Garage, im Keller, im Erdgeschoss, in der Einfahrt und an der Hausfassade. Unser Auto, die Fahrräder, Gartengeräte . . . Der Kühlschrank ist heruntergefallen und hat einen Riss in den Küchenboden gemacht. Sogar meine Schuhe waren davongeschwommen, ich hatte nur noch das Paar, das ich am Tag davor angehabt hatte.

Wie hast du die erste Zeit nach dem Hochwasser verbracht?

Freiwillige Helfer haben uns in den ersten Tagen mit Lebensmitteln versorgt, aber die Zufahrt zu unserem Ort war erschwert. Wir hatten keinen Strom und kein Wasser. Ich bin für eine Weile zu meinem Onkel und meiner Tante gefahren, dort waren auch meine Großeltern. Ihr Haus war auch zerstört. In den Herbstferien durften wir eine Woche Urlaub machen in einem Ferienhaus an der Ostsee, das haben freiwillige Helfer organisiert.

Was war mit der Schule?

Das Hochwasser kam kurz bevor die Sommerferien begonnen hätten. Sie gingen dann zwei Tage früher los. Aber Zeugnisse gab es keine. Die waren davongeschwommen. Das Schulgebäude hatte auch was abbekommen, nach den Ferien konnten wir aber wieder zur Schule gehen. Manche Fächer konnten aber nicht stattfinden, zum Beispiel der Sportunterricht.

Wie lange hattet ihr kein Strom und Wasser?

Zwei Wochen lang hatten wir gar keinen Strom, dann haben wir Generatoren bekommen. Die waren sehr laut. Ab September ging dann der normale Strom wieder. Warmes Wasser hatten wir erst wieder im Dezember. Meine Mutter hat immer Wasser im Wasserkocher warm gemacht zum Baden.

Wie gingen die Arbeiten am Haus voran?

Wir haben viel Hilfe bekommen. Viele Arbeiter sind immer wieder gekommen und haben uns geholfen, alles wieder in Ordnung zu bringen. Es muss noch viel gemacht werden, aber es ist auch schon vieles fertig. Ich finde, unser Haus ist jetzt noch schöner als vorher!

Wie geht es dir heute?

Ich habe Angst, dass so etwas noch mal passieren könnte. Aber jeden Tag kehrt ein bisschen mehr Normalität zurück, das ist gut.

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