Die Töchter unserer Redakteurin machen Waldheim-Ferien. Und dort hat sich im Vergleich zu den 80ern gar nicht viel verändert. „Spüli“, Mittagsruhe, „Kommando Bimberle“ – alles noch da.

Freizeit und Unterhaltung: Theresa Schäfer (the)

Stuttgart - Jetzt mal ehrlich: Sechs Wochen Sommerferien sind eine lange Zeit. Richtig lang. Verdammt lang. Die meisten Eltern können sich maximal drei Wochen Urlaub aus den Rippen schnitzen und dann sind immer noch drei Wochen zu überbrücken. Wie gut, dass es das Waldheim gibt. Diese Stuttgarter Spezialität mit über 100-jähriger Tradition. Einst sollten hier Arbeiterkinder aus den Mietskasernen im Kessel Frischluft atmen, Sonne und Bäume sehen – heute üben sich Großstadtkinder in zwei Wochen ohne Tablet, dafür mit Mittagsruhe.

 

Meine Töchter sind in diesem Jahr zum ersten Mal dabei. Sie sind vom Waldheim deutlich begeisterter als ich seinerzeit. 1988 entschied ich nach einem Tag, dass das Konzept Stadtranderholung nichts für mich ist und ich mich künftig lieber daheim langweilen und die Zeit totschlagen würde, bis um 15 Uhr das ZDF-Ferienprogramm mit Anke und Benny beginnen und ich vorfreudig die Erkennungsmelodie mitsummen würde: „Hallo! Leute, es sind Ferien! Alle machen blau von Flensburg bis nach Oberammergau!“ Nach achtjähriger Abstinenz stieg ich dann wieder ein: diesmal als Waldheim-Betreuerin. Und blieb dabei, bis mich das Studium in eine andere Stadt führte.

Es gibt immer noch „Spüli“

Jetzt verfolge ich aus der Ferne, wie Waldheim im Jahr 2021 aussieht. Und stelle fest: Gar nicht so anders wie in den 80er und 90er Jahren. Gerührt höre ich, dass dort immer noch „Spüli“ ausgeschenkt wird, dieses klebrig-süße Getränk, das von Aussehen und Konsistenz tatsächlich an Seifenlauge erinnert. Irgendwie freut es mich, dass dieser Anachronismus noch nicht der allgemeinen Zuckerfrei-Policy zum Opfer gefallen ist – auch wenn ich mich als Mutter eigentlich um die Zahngesundheit meiner Töchter sorgen sollte.

Auch die Mittagsruhe gibt es immer noch – wenn auch offenbar die zart nach Moder müffelnden Bundeswehrklappliegen, an die ich mich erinnere, inzwischen ausgemustert wurden. Würde ich von meinen Kindern verlangen, sich nach dem Mittagessen eine Stunde ruhig zu verhalten und auszuruhen, sie würden Amnesty International einschalten. Im Waldheim geht das. In dieser Zeit werden dann die Freundschaftsbändchen geknüpft (eine Fertigkeit, die offenbar seit Jahrzehnten von einer Waldheim-Generation an die nächste weitergegeben wird), die an den Handgelenken der besten Freundin den ultimativen Gunstbeweis bedeuten und im Waldheim als eine Art Kryptowährung funktionieren.

„Kommando Bimberle“ hat überlebt

Und selbst die Sprüche und Spiele sind dieselben geblieben: Rutscht jemandem ein Bäuerchen raus, muss ein „Schulz“ folgen. „Mord im Dunkeln“ wird gespielt – auch wenn es jetzt offenbar „Mord in der Disco“ heißt und leicht veränderten Regeln folgt. Und selbst das gute alte „Kommando Bimberle“ hat überlebt.

Ich glaube, meine Kinder sind angefixt. Sie hat die Waldheim-Liebe gepackt. Und, wer mal im Waldheim Feuerbacher Tal war, weiß das: „Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehen ...“ Freundschaftsbändchen drauf!

Theresa Schäfer (39) ist Mutter von Zwillingen - und Onlineredakteurin im Nebenberuf. Der geballten Power und argumentativen Logik von zwei Neunjährigen steht sie oft staunend und manchmal völlig geplättet gegenüber.