Fasching steht vor der Tür und damit die übliche Frage aus Kindermund: „Als was verkleide ich mich dieses Jahr?“ Die Auswahl hat freilich Tücken.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Stuttgart - Fasching? Karneval? Fasnet? Egal, wie Sie die närrische Zeit nennen, eine Frage ist in Familien mit Kindern die immergleiche: „Als was verkleide ich mich dieses Jahr?“ Selbst in Stuttgart, nicht unbedingt einer Hochburg der Ausgelassenheit, will sie beantwortet werden.

 

Meine Kinder sind zum Glück in dieser Hinsicht aus dem Gröbsten raus. Aber es ist noch nicht sehr lange her, dass hier das letzte XXL-Eselskostüm aussortiert und weitergereicht wurde. Überhaupt waren Tiere immer eine beliebte Wahl. Mein Sohn hat da insgeheim versucht, seine Phobien abzubauen. Als Schlange kam er zwar groß raus, nachdem ich eine Nacht an der Nähmaschine gesessen hatte, Ängste beseitigt hat es aber nicht nachhaltig.

Was hat ein Schuh auf einem Kopf zu suchen?

Verkleidungstipps wurden immer auch bei den Cousinen in den USA eingeholt, aber das hat sich als wenig hilfreich erwiesen. Die beiden waren an Halloween zwar unserer Zeit voraus, aber die kulturellen Differenzen waren zu groß. Auf die Frage: „Und als was gehst du dieses Jahr?“ bekamen meine Kinder Antworten wie: „Als Bubblegum under a shoe“ und konnten sich schwer etwas darunter vorstellen. Dass ein Schuh auf dem Kopf und ein rosafarbenes, langes T-Shirt als Kaugummi für diese Kostümierung ausreichten, hat sie nicht zufriedengestellt. „Mama, echt jetzt, ein Schuh?“

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Auch mit Paarauftritten als „Schinken und Spiegelei“ oder „Pommes und Ketchup“ beeindruckten die kleinen Amerikanerinnen nur die erwachsene deutsche Verwandtschaft. Als lebendige Speisekarte durch die Gegend zu laufen? Für meine Kinder unvorstellbar. Als Pippi Langstrumpf mit roter Zopf-Perücke oder als Sams mit orangefarbenem Wuschelkopf, Wunschpunkten und Eierkarton-Nase taten sie immerhin ihrer Buchwurm-Mutter einen Gefallen, um sie dann im nächsten Jahr zum Kauf einer Geheimagenten-Pistole oder zum Anbringen eines Gipsbeins überreden zu können.

Keine Angriffsfläche für Rassismus

Mein erstes Kostüm – ein gelber Tonpapierhut mit schwarzem Flechtzopf aus Wollfäden - zog seine Inspiration übrigens auch aus einem Kinderbuch. Die Stelle, an der es in Preußlers „Die kleine Hexe“ auftaucht, sorgte Jahrzehnte später für heftige Diskussionen. Als „Neger und Türken, Chinesen-Mädchen und Eskimofrauen“ gehen die Kinder an Fasnacht in Preußlers Hexen-Dorf. Heute würde das keine Autorin mehr so schreiben, aber in einem Kinderbuch aus dem Jahr 1957 wären Begriffe wie Afroamerikaner und Inuit doch auch ungewöhnlich.

Ein Speisekarten-Kostüm, so viel ist sicher, bietet Rassismus keine Angriffsfläche. Zum Glück sind die Indianer und Menschenfresser auch bei uns aus dem kindlichen Karnevalskosmos inzwischen verschwunden. Und „irgendwas mit Pistole“, der Hit bei Jungs, verbietet die aktuelle Weltlage so gut wie immer.

Wir gehen in diesem Jahr als deutsche Skifahrer, vielleicht finde ich noch eine lustige FFP2-Maske. Egal wie Ihre Wahl ausfällt: Halten Sie Abstand zu Spiegelei, Kaugummi und Co. und bleiben Sie gesund!

Andrea Kachelrieß hat zwei Kinder, und das seit einigen Jahren. Gefühlt bleibt sie in Erziehungsfragen aber Anfängerin: Jeder Tag bringt neue Überraschungen. Im Kulturressort betreut sie unter anderem die Kinderliteratur.