„Und, hast du schon Trennungsschmerzen?“, sprach mich vor kurzem ein Freund auf den Umzug meiner Tochter in ihre erste Studentenbude an. Momentan überwiegt noch die Freude über die Möglichkeiten, die junge Menschen trotz Corona haben.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Stuttgart - Erinnern Sie sich an die Weltuntergangsprophezeiungen Ende 2012? Laut Maya-Kalender sollte in jenem Jahr am 21. Dezember die Zeit enden. „Eine kleine Steintafel kriegt nicht die ganze Welt kaputt“, sagte damals meine Tochter zuversichtlich. Im Alter von elf Jahren war sie zum Glück noch nicht mit Horrorfilmszenarien vertraut.

 

Acht Jahre später können die Bilder der Nachrichtensendungen auch jungen Menschen Angst machen. Sie schauen einem winzigen Virus, das einem Comic-Band entsprungen sein könnte, dabei zu, wie es die ihnen vertraute Welt auf den Kopf stellt - und mit ihr viele Zukunftspläne. Meine Tochter musste im März ihr Gap-Jahr am anderen Ende der Welt abbrechen und stand plötzlich wieder im Hotel Mama vor der Tür. Ihre Freunde können derzeit geplante Auslandssemester nicht antreten und suchen nun zur Überbrückung nach Praktikumsplätzen, die aber in der Home-Office-Zeit entsprechend schwer zu finden sind.

30 Minuten für den Einzug

Wenn ihren Kindern die Dinge dann doch so gelingen, wie geplant, empfinden Eltern das in Pandemie-Zeiten nicht mehr als Selbstverständlichkeit, sondern als großes Glück. „Und, hast du schon Trennungsschmerzen?“, sprach mich vor kurzem ein Freund auf den Umzug meiner Tochter in ihre erste Studentenbude an. Da war die Ladung Kartons schon in die fremde Stadt kutschiert, der Einzug ins Studentenwohnheim im pandemie-bedingten, 30-minütigen Zeitfenster absolviert, die Ikea-Lieferung pünktlich eingetroffen, Bücherliste und Stundenplan fürs erste Semester im Postfach.

Studienstart ohne Party

Trennungsschmerzen? Dafür war beim Wundern darüber, wie reibungslos trotz Coronavirus alles klappen kann, noch gar keine Zeit. Momentan überwiegt einfach die Freude über die Chancen und Möglichkeiten, die sich jungen Menschen heute bieten - auch wenn die Erstsemester-Partys zum großen Bedauern aller Erstis vorerst gestrichen sind. Am Sonntag nimmt meine Tochter trotzdem den Zug in ihr neues Leben, am 1. September startet das Semester. Spätestens dann werde ich auf das Thema Trennungsschmerzen bestimmt nicht mehr so gut zu sprechen sein.

Andrea Kachelrieß hat zwei Kinder, und das seit einigen Jahren. Gefühlt bleibt sie in Erziehungsfragen aber Anfängerin: Jeder Tag bringt neue Überraschungen. Sie betreut in unserer Redaktion die Kinderliteratur.