Der Sohn unseres Kolumnisten hat Geburtstag. Am liebsten würde er den ganzen Kindergarten einladen. Wie bringt man ihm behutsam bei, dass daraus nichts wird?

Stuttgart - Heute hat unser jüngstes Kind Geburtstag. Jakob wird vier Jahre alt. In den vergangenen Wochen hat er viele Stunden damit verbracht, im Spielwarenkatalog des Drogeriemarkts Müller zu blättern und sich - mit Ausnahme von Plüschhasen („Für Babys!“), Barbies („Für Mädchen!“) und Büchern („Langweilig!“) - so gut wie alles zu wünschen, bevorzugt Polizeifahrzeuge und Nerf-Gewehre. Gleichzeitig zählte er in der immer gleichen Reihenfolge die Namen seiner Freundinnen und Freunde aus dem Kindergarten auf, die er zu seiner Geburtstagsparty einladen würde.

 

Wir haben versucht, ihm möglichst schonend beizubringen, dass nur ein einziger Freund kommen dürfe. Verstanden hat er es nicht, wie sollte er auch? Mit Begriffen wie Pandemie, Lockdown oder Kontaktminimierung kann ein Dreijähriger wenig anfangen, sie interessieren ihn auch nicht - schon gar nicht, wenn es um den eigenen Geburtstag geht, das mit Abstand wichtigste Ereignis auf der ganzen Welt.

Ja, natürlich sind das Luxusprobleme

Natürlich muss nicht nur Jakob derzeit Opfer bringen. Das müssen während der Corona-Krise alle Menschen, die meisten ungleich größere. Was sollen die Alleinerziehenden sagen, die Berufstätigen, die ihren Job verlieren, die Ärzte und Krankenschwestern, die Zusatzschichten schieben müssen, die Selbständigen aus Gastronomie oder Veranstaltungswesen, die um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten?

Verglichen mit ihnen sind es nicht mehr als Luxusprobleme, die unsere Kinder haben. Die große Tochter zum Beispiel wird bald 16, sie ist mitten in der Pubertät und würde gerne ausgehen, Spaß haben, mit ihren Freundinnen abhängen. Alles derzeit verboten. Um sie ein wenig aufzuheitern, habe ich ihr den Corona-Spot der Bundesregierung gezeigt, in dem sich ein alter Mann in ferner Zukunft an das Jahr 2020 erinnert. Er sei damals zum Helden geworden, indem er einfach auf dem Sofa liegengeblieben sei und auf diese Weise geholfen habe, die Verbreitung des Virus einzudämmen („Wir waren faul wie die Waschbären!“). Ich finde den Spot lustig, meine Tochter hat gequält gelächelt.

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Vom Ausgehen ist Jakob zum Glück noch weit entfernt. Er wird sicher auch bald vergessen haben, dass nicht alle Freunde zu seiner Geburtstagsparty kommen durften. Wir haben ihm keine Nerf-Gewehre, sondern ein Indianerzelt geschenkt – viel mehr als zwei Kinder finden darin ohnehin nicht Platz.

Marko Schumacher (48) ist Sportredakteur, Vater von vier Kindern – und wäre manchmal auch gern faul wie ein Waschbär.