Eigentlich sollten Erwachsene ja Vorbilder für Kinder sein. Ein flüchtiger Blick in die Welt zeigt: das war wohl nichts. Unserem Kolumnisten schwant, Kinder sollten Erwachsene lieber nicht zu ernst nehmen.

Sie kennen das. Von Erwachsenen wird in Anwesenheit von Kindern ständig erwartet, sich einigermaßen vorbildlich zu benehmen. Den Kindern soll schließlich redliches Benehmen vorgelebt werden. Da ist es wirklich wichtig, sie von schlechten Einflüssen und Witterungen fernzuhalten, beziehungsweise als moralisch einwandfreies Vorbild voranzugehen. Das gibt’s ja heute viel zu selten. Ein flüchtiger Blick in die Welt zeigt, dass der größte Mist auf Erden immer von Erwachsenen angezettelt wird. Es ist an der Zeit, gegenzusteuern.

 

Ich zum Beispiel gehe nicht bei Rot über die Fußgängerampel, wenn Kinder in der Nähe sind. Es gehört sich einfach, zu warten, so viel Zeit ist im Regelfall immer. Meist nutze ich die Zeit, um mal einen kurzen Moment der Ruhe zu genießen, durchzuatmen, mir dann eine Zigarette anzustecken oder rabiaten Autofahrern „Das hier ist nicht der Nürburgring, du dumme Sau!!“ hinterherzubrüllen. Diese rücksichtslosen Autofahrer leben schließlich auch unseren Kindern falsche Werte vor. Und Fahrradfahrer sind auch nicht besser. Ja, wohin man schaut, es mangelt an geeigneten Vorbildern. Aber woher soll es auch kommen?

Nie wieder „Tagesschau“

Zuhause sind wir aus elterlicher Umsicht dazu übergegangen, nicht mehr die „Tagesschau“ um 20 Uhr zu gucken – die Bilder könnten das Kind nachhaltig verstören. Denn, so viel Ehrlichkeit muss sein, das ist eine Fernsehsendung, die fast ausschließlich die Fehler erwachsener Menschen thematisiert. Krieg, Mord, Zerwürfnisse, Streit, Wut, Gegentor in der 97. Minute, Heimniederlage – das ganze Programm lang. Wetterbericht auch. Wahnsinn eigentlich, so etwas ständig im Fernsehen zu zeigen.

Erste Befürchtungen kamen mir, als wir neulich nachts (nach dem gemeinsamen Clubbesuch) den Director’s Cut von „Apocalypse Now“ angeschaut haben und der Vierjährige fragte, warum denn da der Putin nicht zu sehen sei. In solchen Momenten ist es als verantwortungsbewusster Vater wichtig, positive Werte vorzuleben und auch mal – für das Kind – unpopuläre Entscheidungen zu treffen. „Trink dein Red Bull aus, jetzt geht‘s ab in die Heia“, habe ich gesagt.

Immer schön positiv bleiben

Positiv denken ist wichtig, beispielsweise zu versuchen, die Kinder lieber für die Wissenschaft zu begeistern oder sie behutsam an Bildung heranzuführen – natürlich spielerisch und ohne Leistungsdruck. Beides ist wichtig, sonst macht man da mehr kaputt als gut. „Papa! Das Licht ist wirklich aus“, sagt der Kleine und ich öffne die Kühlschranktür und lasse ihn wieder heraus.

Und Ja, liebe Passanten, liebe Menschen im Supermarkt oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Halten Sie sich bitte raus. Im Normalfall wissen wir Eltern, was wir da tun. Wir wissen es selbst, wenn das Kind gerade laut ist. Wir sind müde, aber nicht taub. Und Rabeneltern sind wir alle nicht. Aber im Gegensatz zu Ihnen wissen wir, dass es keinen „Aus“-Knopf beim Kind gibt. Und dass das ziemlich super so ist. Im Gegensatz zu dem Mist den Erwachsene tagtäglich anstellen, sind Kinder abends recht selten in der Tagesschau zu sehen. Also, bitte nicht unnötig kommentieren. Sonst lernt das Kind noch viel zu früh Worte wie „Halten Sie doch bitte Ihre Klappe!“. Und wir wollten doch alle Vorbilder sein, oder?

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Michael Setzer ist seit mehr als drei Jahren Vater. Früher haben Eltern ihre Kinder vor Leuten wie ihm gewarnt. Niemand hat ihn vor Kindern gewarnt.