Bei Unterhaltungsshows im Fernsehen hat sich früher die ganze Familie auf dem Sofa versammelt. Heute leistet allenfalls der Hund Gesellschaft, während die Kinder keine Lust haben, fröhlich mitzuraten. Sehr zum Bedauern unseres Autors Marko Schumacher.

Stuttgart - Auf der Fahrt zum Wertstoffhof in Stuttgart-Münster, auf dem es neben Kartonagen eine defekte Mikrowelle zu entsorgen galt, ist mir neulich ein Straßenschild aufgefallen, das ich zuvor noch nie bemerkt hatte. Unter Bäumen steht es an einer schmalen Straße gegenüber des Römerkastells im Hallschlag und trägt die Aufschrift „Helga-Feddersen-Weg“. Ich hielt an und dachte: Wie schön!

 

Ich erinnerte mich an die Zeit, in der ich Kind und Helga Feddersen, zu Lebzeiten auch „die Ulknudel“ genannt und nach ihrem Tod im Jahre 1990 auf dem Steigfriedhof bestattet, ein regelmäßiger und gern gesehener Gast in unserem Wohnzimmer war. Im Telefunken-Fernseher ohne Fernbedienung sang sie mit Didi Hallervorden „Die Wanne ist voll“, gehörte mal zum Rateteam von „Dalli Dalli“ mit Hänschen Rosenthal oder saß auf der mit viel Liebe zu Detail gestalteten Bühne von „Wetten, dass…?“, moderiert von Frank Elstner, bekannt auch aus „Die Montagsmaler“.

Transistorradios und Kaffeemaschinen auf dem Fließband

Da ich schon mal dabei war, an früher zu denken, erinnerte ich mich auch an andere Sternstunden der deutschen Fernsehunterhaltung: an „Auf los geht’s los“ mit Blacky Fuchsberger, dem so furchtlosen wie gut aussehenden Kommissar in Edgar-Wallace-Filmen; an „Einer wird gewinnen“ mit Hans-Joachim Kulenkampff, einem Charmeur alter Schule, dessen Anzüglichkeiten gegenüber seinen Assistentinnen heutzutage einen Aufschrei der Empörung nach sich zögen; an den „Großen Preis“, bei dem ich vor Aufregung fast in die Hose machte, wenn sich das Studiolicht verdunkelte und Wim Thoelke „Riiiiiiisiko“ rief; und natürlich an den fabelhaften und einzigartigen Rudi Carrell und das „Laufende Band“, auf dem Kaffeemaschinen, Hähnchegrillautomaten und Transistorradios als Gewinne für die Kandidaten bereitlagen. Sie mussten sich nur merken können, was da so alles auf dem Fließband durchs Fernsehstudio lief.

Es war die Zeit der großen Unterhaltungsshows, bei denen sich die ganze Familie spätestens zur Eurovisionshymne auf unserem blauen Sofa versammelte – und wir Kinder ausnahmsweise länger aufbleiben durften.

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Ich wollte nie ein Mensch werden, der sagt: „Früher war alles besser“ – aber beim Thema Fernsehschauen ist es heute so: Bei Unterhaltungsshows sitzt meist nur der Hund neben mir auf dem Sofa, was nicht daran liegt, dass ich die Kinder so früh ins Bett schicken würden. Sie haben schlicht kein Interesse an XXL-Quizshows mit Johannes B. Kerner oder Eckart von Hirschhausen, wofür ich einerseits ein gewisses Verständnis aufbringe, weil in gefühlt jeder dieser Shows verwegen gekleidete Männer wie Wigald Boning oder Elton auf den Buzzer drücken.

Für die ganze Staffel einer Netflix-Serie reicht ein Wochenende

Andererseits ist es mir schleierhaft, wie es die Kinder schaffen, sich stattdessen am Handy stundenlang durch Tiktok-Clips zu wühlen oder sich ganze Staffeln von amerikanischen Netflix-Serien an einem Wochenende anzuschauen. Zu meinen Lieblingsserien gehört bis heute „Ich heirate eine Familie“ mit Thekla Carola Wied und Peter Weck.

So kommt es, dass es am Samstagabend nur einen TV-Anlass gibt, der dazu führen könnte, dass der Hund um seinen Stammplatz auf dem Sofa fürchten muss: Interessanterweise ist es „Verstehen Sie Spaß?“ mit dem platinblonden Guido Cantz, den zumindest unsere jüngeren Kinder aus irgendeinem Grund sehr lustig finden. Auch das kann ich leider nur schwer nachvollziehen, denn ich trauere noch immer Kurt Felix und seiner Paola hinterher.

Doch gibt es auch eine gute Nachricht: In näherer Zukunft soll es eine Sonderausgabe von „Wetten, dass…?“ mit Thommy Gottschalk geben. Der genaue Sendetermin ist wegen Corona noch offen, eines aber steht schon jetzt fest: Ich werde meine Kinder zum gemeinsamen Fernsehschauen zwangsverpflichten, falls nötig mit Hilfe von Unmengen Erdnussflips und Gummibärchen. Und wenn auch das nichts hilft, wird vorübergehend das Taschengeld erhöht.

Marko Schumacher (48) ist Sportredakteur und Vater von vier Kindern, denen es sehr schwerfällt, seine Begeisterung für Unterhaltungsshows nachvollziehen zu können.