Pelé, Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Karlheinz Förster, Karl Allgöwer, Roy Makaay, Jean-Marie Pfaff, der Stuttgarter Volker Schrank hat sie alle fotografiert. In seinem Studio zeigt er nun die Bilder der alten Haudegen.

Stuttgart - Sein Atelier an der Seyfferstraße 52 im Stuttgarter Westen hat Schrank leer geräumt, es dient nun als Galerie der Helden. Nebeneinander hängen sie, manche erkennt man auf Anhieb. Die VfB-Recken klar, Karl Allgöwer, Karlheinz Förster, Buffy Ettmayer. Lothar Matthäus, Jean-Marie Pfaff haben sich kaum verändert, Hannes Bongartz , Bernd Kraus und Uwe Bein sind füllig geworden, Wiggerl Kögl sieht aus wie früher, Bernd Franke kommt trotz seiner 70 Jahre wie ein Clooney-Double daher. Wolfram Wuttke ist gezeichnet vom Suff, „er hat gefragt, ob wir ein Bier mitbringen“, erinnert sich Volker Schrank. Ein Jahr nach der Aufnahme ist Wuttke gestorben, an Leberzirrhose. Alle schauen sie nach oben, leicht entrückt, dem Irdischen enthoben. Was bei Pelé nicht so einfach war. Der Brasilianer verstand nicht, warum er nicht lachen durfte. Doch für die Interview-Serie „Der Fußball, mein Leben und ich“ im Magazin „Elf Freunde“ ist die Bildsprache eben stets die gleiche. Zu den Gesprächen mit den Fußballern a. D. macht Schrank die Fotos. Nun zeigt er im Rahmen des „Fotosommers“ die Bilder in seinem Studio. Wer sie sehen möchte, sollte kurz anrufen und einen Termin ausmachen (07 11 /  6 20  79 26). Dann gibt es auch die Geschichten zu den Fotos dazu. Wann immer es geht, reist Schrank zu den Stars von ehedem, fotografiert sie zu Hause. Bei Försters gab’s einen selbst gebackenen Apfelkuchen, die Frau von Buffy Ettmayer ließ ihn nicht ins Haus, die Fotos mussten auf der Terrasse gemacht werden. Und Pelé nahm ihn zum Abschied in den Arm. „Er hat seine Magie auf mich übertragen“, sagt Schrank. „Am nächsten Tag habe ich beim Hobbykick zwei Tore gemacht.“

 

Die Jungen haben weniger zu erzählen

Doch die Aura verflog schnell wieder, wie sich auch der Charme der Serie leider allmählich abnutze, sagt Schrank. Die jüngeren Kicker haben schlichtweg nicht so viel zu erzählen. Sie werden von klein auf zum Fußballer getrimmt. Beobachtet auf dem Platz von zig Kameras und im Privatleben von Millionen Smartphones, lernen sie schnell, dass es besser ist, sich abzuschotten. Blöd nur, dass man dann halt auch wenig erlebt. Es muss Ende der 80er Jahre, Anfang der 90er Jahre gewesen sein, als mein Handballteam einen Aufstieg im Drei Mohren bei Oberkamms am Wilhelmplatz feierten. Spät in der Nacht zogen wir weiter ins Schwabenzentrum ins Ecklokal, halb Disco, halb Kneipe. Der Lumpensammler fürs Treibgut der Nacht. Irgendwann öffnete sich die Tür und die Kicker des VfB kamen herein. Den Ärger über eine Niederlage in München wollten sie hinunterspülen. So fand man sich mit Weltmeistern am Tresen sitzen, rauchte, trank, was man damals so trank, Bananen-Weizen, Jackie Cola, Baileys, Tequila, quatschte und sinnierte. Kein Mensch hat sich damals daran gestört, dass Fußballer mal die Sau rauslassen. Man stelle sich das heute vor, unzählige Fotos würden im Netz kursieren, und es fänden sich genügend Heuchler, die Skandal schrien. Der wunderbare Preben Elkjaer Larsen hat in der Serie erzählt, dass er in seiner Zeit beim 1.FC Köln immer wieder mit Trainer Hennes Weisweiler aneinandergeriet. Einmal warf Weisweiler ihm vor, er sei des Nachts mit einer leicht bekleideten Dame und einer Flasche Whisky gesehen worden. Larsen: „Ja, aber er hatte sich geirrt: Es war kein Whisky. Es war Wodka!“

Alles begann mit den Weltmeistern von 1974

Begonnen hat alles mit dem Frust des neunjährigen Volker Schrank, dass er zur WM 1974 sein Panini-Album nicht vollbekam. Als Klebebilder waren sie ihm durch die Lappen gegangen, also beschloss Volker Schrank, seine Helden in natura zu sammeln. 30 Jahre später erfand er die Schau „Gesammelte Helden“. Er besorgte die Originalstoffe der Pfullinger Textilfirma Erima, gab Replikate der Trikots von 1974 in Arbeit: weiße Hemden mit schwarzem Rundkragen, grüne mit weißem Rundkragen. Dann klapperte er die Weltmeister ab, steckte sie in die Trikots. 17 von 22 Spielern machten mit, auch Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß und Gerd Müller. Er ließ sie in die Ferne schauen, „so vertraut und doch fremd zugleich erscheinen“, weil er nicht nur den Menschen, sondern vor allem den Mythos abbilden wollte. Das gefiel den Redakteuren von „Elf Freunde“ so gut, dass sie ihn baten, auch für ihre Serie zu fotografieren.

Jena-Marie Pfaff musste Urlaub nehmen für den Europapokal

Entstanden sind so Erinnerungen an eine Zeit, als der Fußball noch nicht von Hysterie begleitet war. Wer auf dem Schulhof ein Fußballtrikot trug, galt als Sonderling, ins Stadion kamen meist nur 20 000 Menschen, und viele der Spieler wussten, was Maloche bedeutet. Bernard Dietz war Sohn eines Bergmanns, drei seiner acht Geschwister starben als Kinder während des Zweiten Weltkriegs. Mit 13 Jahren begann er eine Schlosserlehre, mit 18 brachte er eine Hand in eine Maschine, verlor zwei Finger. Er wurde die Vereinsikone des MSV Duisburg und war Kapitän der Nationalmannschaft beim EM-Sieg 1980. Preben Elkjaer Larsen zahlte in Dänemarks erster Liga Mitgliedsbeitrag für seinen Verein, sonst hätte man die Fahrten zu den Auswärtsspielen nicht finanzieren können. Und Jean-Marie Pfaff machte in Belgien eine Banklehre. Als er in Beveren im Tor stand, arbeitete er von halb acht bis halb vier, dann ging es ins Training. Für das Spiel im Europapokal bei Inter Mailand musste er zwei Tage unbezahlten Urlaub nehmen. Erst bei den Bayern machte er nichts anderes als Fußball spielen. Der übrigens früher etwas anders interpretiert wurde. Der trockene Alkoholiker Uli Borowka beschreibt das so: „Zum Job eines Vorstoppers gehörte es, Angst zu verbreiten. Wenn ich gegen den Andreas Möller spielte, war der plötzlich der zweite Libero.“ Nur an zwei Gegenspielern hat er sich die Zähne ausgebissen. Auf George Weah vom AS Monaco trat er 1992 ein, „bis mir die Stollen abgebrochen sind – und nicht ein einziges Mal hat der sich beschwert“. Von Ulf Kirsten gab es Saures: „Kaum war das Spiel angepfiffen, hatte ich seinen Stollenabdruck auf der Wade. Ein geiler Stürmer!“ Man nannte Borowka übrigens – die Axt.