Kein Mensch bedauert das Ende von „Wetten, dass . . ?“ Kein Mensch? Doch: Kinder sind richtig traurig, dass es die Samstagabendshow bald nicht mehr geben wird. Unsere Kolumnistin Ulla Hanselmann schämt sich etwas für den Geschmack ihres Sohnes.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Markus Lanz kann sich trösten: Wenn es immer wieder heißt, das deutsche Fernsehpublikum möge ihn nicht, dann stimmt das einfach nicht, Shitstorms hin oder her. Wir kennen jemanden, der ihn vergöttert.

 

Unser Sohn.

Der ist todtraurig, dass es nur noch zwei Ausgaben dieser fantastischen Wettshow geben soll. Einmal noch legt das TV-Wrack, das 33 Jahre auf dem Buckel hat, in Graz an, dann wird der Kahn am 13. Dezember in Nürnberg endgültig auf dem Schrottplatz der Fernsehunterhaltung entsorgt. „Der Rückgang der Zuschauerzahlen zeigt, dass sich die Sehgewohnheiten verändert haben und das Format an Anziehungskraft verloren hat“, so hatte der ZDF-Programmdirektor die Entscheidung begründet. Ein Aufschrei der Begeisterung ging durchs Land.

Der Sohnemann kann das nicht nachvollziehen. Gibt es für ihn doch nichts Schöneres, als am Samstagabend nach einer harten Schulwoche auf der Couch zu lümmeln, am liebsten mit einer Tüte Chips, und sich die doofsten Wetten aller Zeiten anzugucken. Bei denen Hundehalter ihre Vierbeiner an deren Bissspuren auf Frisbeescheiben unterscheiden können – oder ein Schnauzbartträger zu Mausefallen ein nahezu erotisches Verhältnis an den Tag legt. Jedenfalls ein so enges, dass er am jeweiligen Schnappgeräusch das Fabrikat erkannte. Dafür wurde er dann von der Schauspielerin Diane Keaton, die sich ja hervorragend als Mäuseschreck eignen würde, mit einem Kuss belohnt. Je gaga, umso unterhaltsamer – fürs Kind. Es lässt sich das Vergnügen auch nicht von Lanz’ angestrengt seichtem Geplauder auf der Couch verderben. Die Witze von Comedian Ralf Schmitz fand er so lustig, dass er sie jeden Tag dreimal erzählt.

Die Jugend ist nicht ganz verloren

Angesichts solch kindlich unschuldiger Begeisterung dürfen sich die ZDF-Chefs die Tränen aus den Augen wischen und hoffnungsfroh in die Zukunft blicken: Die Jugend ist nicht ganz verloren – und das TV-Lagerfeuer glimmt noch heißer als gedacht. Allerdings muss man fairerweise an dieser Stelle anmerken, dass dieser Zehnjährige TV-Shows als Genre generell dufte findet. Gleich an zweiter Stelle nach „Wetten, dass . . ?“ rangiert „Verstehen Sie Spaß?“. Schluck. Auch „Wer wird Millionär?“ gehört zu den Favoriten. Überhaupt Günther Jauch oder auch Thomas Gottschalk. Die zwei, die niemand mehr sehen kann – er liebt sie. Und, jetzt müssen Sie ganz stark sein: Er schreckt nicht einmal vor Pilawa zurück.

Sie meinen, wir müssten was tun? Therapeutisch eingreifen?

Kinder geben ihren Eltern doch immer wieder Rätsel auf. Sind sie, von einem selbst entsprungen, doch aus einem eigenen Holz geschnitzt? So würde vielleicht Markus Lanz fragen. Wir mutmaßen ganz pragmatisch: Hinter der Schwäche für unterdurchschnittlich gute TV-Unterhaltung steckt (neben dem Mangel an Alternativen angesichts der restlichen TV-Kost, die nach 20 Uhr am Wochenende geboten wird) vor allem der kindliche Wunsch, an der Welt der Erwachsenen teilzuhaben und samstagabends möglichst lange aufzubleiben. Alles hat eben seinen Preis.