Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche erscheinen die Kreisbewohner pumperlgesund, aber fortschrittsfeindlich. Künstliche Naturbetrachtungen sind der Preis dafür.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Vorneweg eine gute Nachricht: Die Männer im Landkreis Böblingen sind härter im Nehmen als ihre Artgenossen im Rest des Landes. Darauf können die Frauen, die nicht innerhalb der Kreisgrenzen wohnen, wirklich neidisch sein. Sie leiden nämlich sehr selten unter einer der schlimmsten Krankheiten: „Männerschnupfen scheint im Landkreis Böblingen kein Thema zu sein“, hat die AOK Stuttgart-Böblingen herausgefunden. Sogar in Zeiten einer Pandemie, die so manchen Hypochonder zu Höchstleistungen herausfordert, kommt die Krankenkasse auf dieses erstaunliche Ergebnis.

 

Insgesamt scheinen die Kreisbewohner pumperlgesund zu sein, in den vergangenen Jahren waren die Erkrankungszahlen stets niedriger als im Landesdurchschnitt. „Und bei den Männern sind diese Werte noch einmal geringer“, sagt AOK-Sprecherin Elisabeth Schöndorf – und zwar seit Jahren. Zuletzt litten laut ihren Zahlen rund 46 100 Kreisbewohner unter Erkältungen, die Männer stellten mit 21 8000 weniger als die Hälfte davon. „Letzteres entspricht einem Anteil von 29,2 Prozent der AOK-Versicherten im Landkreis“, ergänzt die Sprecherin. Im Stadtkreis Pforzheim beträgt die Zahl 35,5 Prozent, im Enzkreis 31,3 Prozent und in Stuttgart 30,9 Prozent.

Harte Kerle lieben Verbrenner

Bei solchen harten Kerlen dürfte eine weitere Meldung nicht verwundern: So wenig der Kreis Böblingen ein Hotspot für Männerschnupfen ist, so wenig sind Elektroautos ein Verkaufsschlager. In diesem Segment kommt der Kreisbewohner ebenfalls landesweit auf unterdurchschnittliche Werte, was in dem Fall nicht wirklich eine gute Nachricht ist. Sogar im ländlichen Göppingen sind die Menschen dem Fortschritt gegenüber aufgeschlossener. Von den 15 519 im Oktober zugelassenen Neuwagen in der Region Stuttgart fahren 8,8 Prozent mit Strom. Laut dem Kraftfahrtbundesamt liegt der Bundesdurchschnitt bei 8,4 Prozent, Spitzenreiter ist der Kreis Göppingen mit 11,3 Prozent, während Böblingen nur auf 7,3 Prozent kommt. Stattdessen erreicht Böblingen bei den Besitzumschreiben für gebrauchte Autos mit einem Plus von 15 Prozent wiederum den ersten Platz. Weil all diese Verbrenner, vermutlich viele Daimler, auch in zehn oder 20 Jahren noch unterwegs sein werden, fordert die Kfz-Innung die Einführung von synthetischen Treibstoffen. „Denn in der Haltbarkeit sind diese Autos unschlagbar“, heißt es fast schon bedrohlich in der Mitteilung.

Gesünderer Menschenverstand in Göppingen

Auch wenn die Böblinger Kreisbewohner seltener verschnupft sind, herrscht in Göppingen offensichtlich ein gesünderer Menschenverstand. Das zeigt ein Beispiel aus Gärtringen, wo mal wieder versucht wird, die Realität schön zu malen. Dort ließ das Unternehmen Netze BW eine Trafostation bemalen, „um wilden Sprayern zuvorzukommen und hässliche Schmierereien an dem Gebäude zu verhindern“. Das Motiv war mit der Gemeinde abgestimmt worden und deshalb überrascht das Ergebnis nicht: die pure Idylle! Die Betrachter könnten auf der Umspannstation „kirschenpflückende Amseln beobachten und sogar eine fürsorgliche Amselmama, die ihre Jungen mit den leckeren Früchten füttert“, teilt Netze BW mit. Dieses Motiv lag wegen des Standorts im Amselweg nahe. Die Kreisbewohner sollten sich wohl an diese Art künstlicher Naturbetrachtungen gewöhnen, wenn sie weiterhin davon ausgehen, dass der Klimawandel so leicht heilbar ist wie ein Männerschnupfen.