Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche zeigt die Böblinger Verwaltung, wie vorausschauende Politik geht. Und in Schönaich sollen Tafeln den Bürgern Benimm beibringen.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Zuweilen wirkt Politik wenig vorausschauend. Das ganze Schlamassel mit dem Klimawandel bahnt sich beispielsweise nicht erst seit gestern an. In Böblingen hat die Verwaltung voreingenommene Behördenkritiker nun aber eines Besseren belehrt. Im Februar wurden im Maurener Weg anscheinend „aus heiterem Himmel“ ein halbes Dutzend Halteverbotsschilder angebracht. Den Anwohnern kam die Aktion rätselhaft vor. Vor lauter Hofeinfahrten könnten Autos an vielen Stellen sowieso nicht abgestellt werden, sagte eine von ihnen. „Jetzt darf nicht mal mehr der Paketbote anhalten oder Bekannte“, befürchtet eine andere Nachbarin nun Schlimmstes.

 

Interessant ist die Reihenfolge ihrer Aufzählung: erst die Bestellung, dann die Besucher, von Familie ist gar keine Rede. Abgesehen davon, dass die Versorgung mit Konsumgütern oder Tratsch und Klatsch damit ins Stocken gerät, die Anrainer im Maurener Weg sehen sich auch großen Gefahren ausgesetzt. Die Straße ist frisch asphaltiert, zehn Meter breit, dank des Halteverbots hindernisfrei und lädt geradezu zum Gasgeben ein. Logischerweise haben sie sich im Rathaus beschwert. Dabei stellte sich heraus, dass die Menschen, die in dieser Gegend wohnen, oft unzufrieden sind: Anwohner hätten sich wegen Falschparkern beschwert, deswegen wurde der Schilderwald verdichtet, lautet die Antwort aus dem Amt. Doch die Verwaltung zeigt sich großzügig und verwandelt das absolute Halteverbot in ein eingeschränktes. Damit hat der Paketbote drei Minuten Zeit, seine Lieferungen an die Adressaten zu bringen und die Bekannte kann das Wichtigste kurz erzählen.

Langfristiges Ziel vor Augen

Das langfristige Ziel der Aktion verliert das Rathaus allerdings nicht aus den Augen: Die Autofahrer sollen sich eben tatsächlich nicht lange im Maurener Weg aufhalten, sondern schnurstracks in Richtung Innenstadt fahren. Dort müssen sie keine Strafzettel befürchten, sondern können vielmehr vom 19. Oktober an für zwei Stunden in den bislang leeren Parkhäusern kostenlos parken. Damit wollen Verwaltung und Gemeinderat die Händler und Gastronomen unterstützen. In der Sitzung hatten jedoch mehrere Redner Sorgen, dass die Vergünstigung bei den Bürgern nicht ankommt. Das Rathaus bekam den Auftrag, sie auf allen Kanälen publik zu machen. Doch dessen Mitarbeiter haben die Aktion von langer Hand geplant, wie jetzt klar wird: Falls also auch in anderen Wohngebieten plötzlich zahlreiche Halteverbote erlassen werden, dann dient dies vermutlich der Existenzsicherung in Corona-Zeiten.

Viele Zugeständnisse in der Pandemie

Die Pandemie verlangt den Menschen eben viele Zugeständnisse ab. In Schönaich setzt die Kommunalpolitik ebenfalls auf den Einsatz von Schildern, um die Auswirkungen der Pandemie abzumildern. Auch dort scheinen die Bürger Handel und Gastronomie eher zu meiden, sie gehen stattdessen in den Schönbuch zum Feiern. Über Lärm und Vermüllung beschwerten sich die Gemeinderäte. Diesem Fehlverhalten soll nun mit einem Wald-Knigge entgegengewirkt werden. Tafeln mit gedruckten Regeln sollen im Wald aufgestellt werden. Damit würden die Verursacher des Problems nicht erreicht, warnte der Bürgermeister zwar, aber auf ihn hörte mal wieder niemand. Immerhin nicht gleich elf, sondern nur sieben Schilder sollen nun Benimm lehren.

In der gleichen Sitzung demonstrierten die Gemeinderäte noch ihre Fähigkeit für vorausschauende Politik: Den Antrag von 66 Bürgern, einen neuen naturnahen „Wilden Weg“ anzulegen, lehnten sie mit großer Mehrheit ab. So können Spaziergänger auf keinen Fall einen großen Bogen um den Wald-Knigge machen.