Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche lassen die Aidlinger ihre Beziehungen bei Daimler spielen und die Narren in Weil der Stadt üben sich in Bescheidenheit.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Aidlingen - Annegret Kramp-Karrenbauer machte beim Neujahrsempfang der CDU in Leonberg die Probleme ihres Berufsstandes deutlich. „Es ist immer schlecht, wenn die Politik meint, mehr technologischen Sachverstand zu haben als die Ingenieure“, sagte die Parteivorsitzende und ergänzte: „Ich bin dagegen, dass wir nur noch auf E-Autos setzen.“ Damit meinte AKK natürlich, dass auch die Ingenieure lieber mit Diesel Gas geben würden. Aber damit könnte die CDU-Chefin auch ganz schön falsch liegen, wie ein Neujahrsempfang beim Koalitionspartner SPD diese Woche zeigte.

 

Mercedes-Manager schätzt kurze Wege

Die Aidlinger haben ihre Beziehungen spielen lassen. Im Ortsteil Deufringen wohnt mit Ergun Lümali der Betriebsratsvorsitzende des Sindelfinger Mercedes-Benz-Werks, und er hat ein Daimler-Vorstandsmitglied zu den örtlichen Sozialdemokraten vermittelt. Allerdings sorgte nicht nur seine Überzeugungskraft für den Auftritt, sondern erstaunlicherweise auch die mangelnde Lust am Autofahren. „Vielen Dank für den kurzen Heimweg“, begann Markus Schäfer seine Rede, denn er wohnt im Nachbarort Gechingen.

Schwere Zeiten erwarteten den Konzern mit der Transformation vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb, lag er zunächst mit Annegret Kramp-Karrenbauer auf einer Linie. Der Ingenieur hatte dann allerdings Spannendes zu berichten. Zum Beispiel dass Daimler kürzlich eine Karosserie vorstellte, die komplett kompostierbar ist. „Es heißt immer, wir haben keine Ahnung von Elektroautos“, ging er schließlich in eine ganz andere Richtung als die Politikerin. Bereits vor zehn Jahren habe Daimler recycelbare Elektroantriebe hergestellt, nur keiner habe sie zu diesem Zeitpunkt gewollt. Vor allem eben nicht die Politik, ließe sich ergänzen.

Klimaneutralität ist keine Fantasie

Sein Bericht ging so weiter: Bis 2039 wolle Daimler eine klimaneutrale Neuwagenflotte produzieren. „Es ist keine Fantasie“, betonte er. Den Plan habe sich der Konzern als erste Autofirma der Welt nach dem Pariser Klimaschutzabkommen zertifizieren lassen. Das Metall Kobalt, das unter lebensgefährlichen Bedingungen in Afrika abgebaut wird, werde bald nicht mehr für den Batteriebau benötigt, berichtete er von der Arbeit der Ingenieure.

Die 50 Fridays for Future-Demonstranten, die diese Woche in Böblingen auftauchten, hätten sicher lieber Markus Schäfer als Annegret Kramp-Karrenbauer zugehört. Seit einem Jahr würden sie auf die Straße gehen, sagte ein 15-Jähriger, viel getan habe sich in der Klimapolitik aber nicht. Was die Bundesregierung mache, sei nicht in ihrem Sinn, ergänzte ein 25-Jähriger. Und von einer 15-Jährigen war zu hören, dass die Proteste erfolgreich sein können: „Wir haben die Wissenschaft auf unserer Seite“, sagte sie.

Trotz Auszeichnung Bescheidenheit

Sogar die Narren setzen auf Fakten. Die Zunft Aha hat eine große Auszeichnung geholt und übt sich trotzdem in Bescheidenheit: Ihr ist es zu verdanken, dass die schwäbische-alemannische Fasnet in Weil der Stadt das Siegel „Nationales Immaterielles Kulturerbe“ erhalten hat. Fälschlicherweise war auch in dieser Zeitung vom Weltkulturerbe die Rede, was auf mangelnden technologischen Sachverstand schließen lässt. Daraufhin kam sofort eine deutliche Rüge. Deshalb sei darauf hingewiesen, das die Fasnet für Ingenieure und die junge Generation gerade mehr als die Politik zu bieten hat: „Der Brauch verbindet regionales Wissen, Kunsthandwerk und Laienkreativität, fördert den Ausdruck von Emotionen und wirkt als generationenübergreifendes Gemeinschaftserlebnis“, haben die Experten befunden.