Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche blüht Herrenberg auf, der Böblinger Gemeinderat im Prinzip auch.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Ehningen - In Happyherrenberg ist die Welt schon wieder furchtbar in Ordnung. Zwar macht sich der Klimawandel mit viel zu warmem Februarwetter unangenehm bemerkbar. Aber statt in Panik zu verfallen, nutzt die Stadt die aufkeimende Natur kurzerhand für ihre Zwecke aus. „Kunterbunte Frühlingsboten“ lautet die Überschrift einer fast schon poetischen Mitteilung aus dem Rathaus. „Das Frühjahr steht vor der Tür und lockt erste Triebe und Vorboten farbenfroher Blüten hervor“, wird darin verkündet. Dafür ist nicht der liebe Gott verantwortlich oder die Natur, sondern die Verwaltung. Sie hat die Grundlagen für das Blütenmeer nämlich schon im Winter gelegt – mit rund 50 000 Blumenzwiebeln.

 

Lautmalerischer Sieger: Prima Asnières-sur-Seine

Die Mitarbeiter der Gartenbauabteilung des Amtes für Technik, Umwelt, Grün hatten genaue Vorstellungen, wie Herrenberg aufzublühen hat. „Bunt, freundlich und auffallend“ sollten die Zwiebelmischungen sein. Schon ihre Namen Prima Kitisa und Prima Annecy-le-Vieux klingen betörend, „lautmalerisch ganz oben auf der Hitliste“ haben die Gärtner Prima Asnières-sur-Seine platziert. Das klingt nach einer Sehnsucht nach Paris. Auf die Gefühle der Gärtner kommt es allerdings nicht an, Herrenberg geht es um die positive Außenwirkung: Die Tulpen und Narzissen wurden vor allem an den Einfallstraßen gepflanzt, um die Menschen „auf kunterbunte Art und Weise willkommen zu heißen“.

Blühende Landschaften sind in der Stadt aber überall möglich. „Selbst-Organisation in einer städtischen Verwaltung, geht das?“, lautete kürzlich die zurecht skeptische Frage im städtischen Amtsblatt. Da in Herrenberg weder bei den Blumen noch bei den Beamten Naturgesetze gelten, lautet logischerweise die Antwort Ja. Das 13-köpfige Bauhofteam hat nicht mehr nur einen Chef, sondern gleich acht. Seither bespricht der Malermeister „direkt mit dem Ordnungsamt, wie gewisse Straßenmarkierungen gemacht werden sollen“, wird das neue System im Amtsblatt erklärt. Ohne den einen allmächtigen Vorgesetzten sind die Bauhof-Mitarbeiter viel fleißiger: Sie hätten 100 Aufträge mehr als im vergleichbaren Zeitraum vor der Einführung des New-Work-Ansatzes, wie flache Hierarchien heutzutage heißen, erledigt. Eigentlich müsste nun die nächste Frage, die sich die Herrenberger Verwaltung stellen sollte, lauten: „Wie viel mehr kann das Rathaus erledigen ohne den Old-Work-Oberbürgermeister an der Spitze?“

Der OB lässt sich von einem neuem Referat leiten

In Böblingen werden eher traditionelle Ansätze verfolgt: Statt Chefs abzuschaffen, wird ihnen auf andere Art und Weise die Arbeit abgenommen, was eine Verwaltung ebenfalls effizienter machen kann. Der Gemeinderat hat Stefan Belz den Posten „Leitung Referat Oberbürgermeister“ genehmigt. „Dem Stelleninhaber werden qualitativ hochwertige Aufgaben sowie eine hohe Verantwortung übertragen“, heißt es in der Vorlage. Der im April gestartete Grüne darf sich auch eigenmächtig den Kandidaten aussuchen. Denn die Position erfordere ein starkes Vertrauensverhältnis sowie „zwingend eine loyale Geschäftsbeziehung“ zwischen dem OB und seinem Referenten. Sonst plappert der am Ende noch aus, was im Rathaus so vor sich geht.

Seinem Vorgänger war das Gremium vor acht Jahren nicht so wohlgesonnen: Wolfgang Lützner scheiterte mit dem Versuch, sich Hilfe an die Seite zu holen, sein Vorgänger Alexander Vogelgsang sei schließlich 24 Jahre ohne ausgekommen, lautete eines der Argumente. Die zwingend notwendige loyale Geschäftsbeziehung zwischen dem CDU-OB und dem Gemeinderat war damals nicht gegeben. Sein Ansinnen wurde der Lokalzeitung aus einer nicht-öffentlichen Sitzung gesteckt. Der OB platzierte daraufhin eine lautmalerisch nicht ganz oben auf der Hitliste stehende Retourkutsche im Amtsblatt. Nicht einmal 50 000 Blumenzwiebeln hätten damals das Klima in Böblingen wandeln können.