Im Fußball greift der Wahnsinn um sich: Die Herren Profis lassen nicht mehr nur ihre eigenen Frisöre einfliegen, sondern jetten auch mal schnell 2000 Kilometer zum Döneressen nach Berlin.

Stuttgart - Wozu ist ein Mensch fähig, der Hunger hat? Was macht so einer in seiner Verzweiflung schlimmstenfalls – wie weit geht er?

 

Vor ein paar Tagen hat der bekannte Fußballprofi Kevin-Prince Boateng die erschütternde Antwort darauf gegeben, und Scharen von Menschen sind fassungslos. Der in Berlin geborene Deutschghanaer, der zur Zeit beim italienischen Erstligisten US Sassuolo seine Millionen macht, gestand der Zeitung „Corriere della Sera“ in einem Interview: „Als ich mal zwei Tage frei hatte, kam mir die Lust auf Kebab. Ich dachte mir: Wo finde ich einen guten Kebab? Also hab ich mir einen Flug gebucht und bin nach Berlin geflogen.“

Und nach dem Mundabwischen wieder zurück. Gute zweitausend Kilometer waren das in toto geschwind, aber für einen saftigen Döner ist einem anspruchsvollen Gourmet, der mit der Zeit geht, kein Weg zu weit.

Hat Boateng ein Rad ab, einen Sprung in der Schüssel oder nicht mehr alle Tassen im Schrank? Oder tut er nur, was sich ein Genießer heutzutage schuldig ist? Chartert womöglich unser berühmter Schwabe Jürgen Klopp, ohne es an die große Glocke zu hängen, alle paar Tage einen Privatjet, um eine Schüssel Gaisburger Marsch nach Liverpool zu fliegen, mit einem Fünfsternekoch aus Baiersbronn im Schwarzwald an Bord, der die Brühe unterwegs warm hält?

Die Extratouren der Reichen

Doch lenken wir nicht ab von Boateng. Jeder streng erzogene Normalsterbliche unter uns ruft nach einem solchen Interview in Gedanken sofort nach einem Rettungshubschrauber, der den Dönersüchtigen ohne Umweg auf den Behandlungstisch einer geschlossenen Anstalt fliegt. Oder muss Boateng gar nicht notversorgt werden? Sind eher wir Flachlandspießer inzwischen die Pflegefälle, weil wir uns in unserer Basisstation auf Höhe der Grasnarbe nicht ums Verrecken vorstellen können, wie die Schönen und Reichen, die Promis und Extravaganten da oben auf ihrer Glamourwolke ticken?

Ihr Kolumnist hier wusste es auch nicht, bis er Gil Dezer kennenlernte. Gil ist Anfang 40, mit Eric Trump und dessen weltberühmtem Vater privat und geschäftlich befreundet, und als Chef von Dezer Development in Miami baut er dort Wolkenkratzer. Aber vor allem hat er erzählt, dass er zu Hause einen 2,5-Millionen-Dollar-Bugatti und noch 28 weitere Autos in der Garage hat. „Ich bin ‚car-crazy‘“, sagt Gil, also hochgradig autoverrückt. Kein Gemälde von Andy Warhol oder van Gogh hat er sich daheim an die Wand gehängt, sondern einen alten Porsche 550, und zwar diagonal, direkt über der erstaunlich hohen Tür zum Schlafzimmer.

Autoverrückte Amerikaner

Wir Durchschnitts-Ottos in unserer tiefergelegten Welt fangen nicht viel an mit solchen Kreativitäten. Eines Tages sah Dezer beispielsweise auch nicht mehr ein, dass ein wunderschöner Lamborghini, Maserati, Porsche, SL, BMW oder Rolls Royce achtlos in einer stillosen Tiefgarage weggeparkt wird wie in einem Kellerloch. So ein Traumflitzer gehört in den Himmel, sagt er, „in eine ‚sky garage‘.“

Also hat er am Strand in Sunny Isles, im Norden Miamis, den Porsche Design Tower hingestellt. Seine Kunden sind die Reichsten der Welt, und auf sechzig Stockwerken hat er ihnen 132 Luxuswohnungen für fünf bis dreißig Millionen Dollar gebaut. Das sind keine Peanuts oder Hosenknöpfe, aber dafür darf dann auch jeder seinen Luxusschlitten mitnehmen – bis hoch ins Penthouse.

Das geht so: Man fährt sein Auto vor einen der drei Aufzüge, ein Roboter hebt es hinein, und los. Die Himmelfahrt dauert zwischen 45 und 90 Sekunden, und weil es sich um gläserne Lifts handelt, hat so eine Nobelkarosse beim schwindelerregenden Aufstieg freien Meerblick. Kurz danach steht sie dann neben dem Schlafzimmer ihres Herrn, getrennt nur durch eine Glaswand. „Männer wollen ihr Auto sehen“, weiß Gil.

Und für wen ist dieser Luxus?

„Für Leute, die den Unterschied verstehen“, hat Dezer mir erklärt. Und nebenbei noch schnell vorgeführt, dass sogar die Wassertemperatur in der Klospülung vollautomatisch regelbar ist. Aber pinkeln muss man noch selbst?

„Noch“, lächelte Gil.

Jeder wie er kann

Vielleicht verstehen Sie Kevin-Prince Boateng jetzt besser. Oder David Beckham. Der englische Beau ist als Sohn einer Frisöse einst mit dem Gel im Gen auf die Welt gekommen, und die Folgen waren dann seine Karriere lang immer wieder haarsträubend. Einmal spielte er für Real Madrid in Tokio und ließ einen Starfigaro aus London einfliegen – der schüttelte ihm unter der Trockenhaube kurz seinen damaligen Pferdeschwanz durch, rasierte Beckham virtuos die linke Augenbraue zur Hälfte ab und flog heim.

Viele Kopfschüttler fragen sich seither: Wann lässt sich der erste Fußballstar das Hirn absaugen, um mehr Platz für die Frisur zu haben?

Es ist immer wieder dieselbe rätselhafte Frage, die wir naiven Normalos uns stellen: Warum? Warum jettet Kevin-Prince Boateng für einen Döner nach Berlin? Warum fliegt David Beckham seinen Frisör durch die Welt? Warum baut Gil Dezer einen Wolkenkratzer für Milliardäre, damit deren Bentley von seiner Himmelsgarage aus einen atemberaubenden Blick in Richtung Bahamas genießt?

Warum tun diese Überflieger da oben auf ihrer Wolke sieben all diese verrückten Dinge? Fragen Sie mal einen.

„Weil ich es kann“, wird er Ihnen antworten.