Es hat nicht viel gebracht, die Fahrspuren in Stuttgart zu verengen, ganze Stadtviertel einer Verkehrsberuhigung zu unterwerfen und das Parken zu verteuern. Unsere Kolumnistin bleibt daher Anhängerin des Automobils.

Stuttgart - Die Radio-Stimme, die mich dieser Tage weckte, versprach ein Paradies auf Erden. Sie erzählte von der Stadt der nahen Zukunft, wo die Verkehrswende schon vollbracht ist. Ich lauschte fasziniert und sah im Geiste nichts als heitere Traumlandschaften vor mir. Keine Autostraßen mehr, dafür Rasenflächen und Blumen; Menschen, heiter plaudernd und zu Fuß unterwegs; ab und zu ein Bus, hier und da eine Treppe hinab zu den Bahnen im Untergrund. All überall geräumige Trassen für die Radler. Kleine Geschäfte, ein Café. Die Stadt als dörfliche Idylle. Im Himmel kann’s nicht schöner sein.

 

Wer am Steuer sitzt, muss aufpassen

Hienieden jedoch, in unserer von Corona geplagten Republik, sieht es noch ganz anders aus. Obwohl das Haus, in dem ich wohne, an einer Sackgasse liegt, fährt hier alle paar Sekunden ein Auto vorbei. In der Innenstadt tobt der Verkehr. Wer am Steuer sitzt, muss höllisch aufpassen. Allerdings heulen die Motoren nicht mehr so laut wie noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Stinkende Abgaswolken nehmen einem nicht mehr den Atem. Trotzdem sind zu viele Autos auf den Straßen. Oft staut sich der Verkehr, Baustellen behindern das Fortkommen. Einen Parkplatz zu finden wird zur Geduldsprobe.

Es hat nicht viel gebracht, die Fahrspuren zu verengen, ganze Stadtviertel einer Verkehrsberuhigung zu unterwerfen, das Parken zu verteuern. Die Menschen fahren weiter im Auto, sie fahren und fahren. Zurzeit werden es sogar immer mehr. Weil sich viele Zeitgenossen aus Corona-Gründen vor dem Gedränge in den öffentlichen Verkehrsmitteln fürchten, holen auch diejenigen ihr Auto aus der Garage, die normalerweise bevorzugt mit der Straßenbahn fahren.

Kein Führerschein?

Da hilft es auch nicht viel, wenn ein Ober-Ökologe wie Olaf Bandt, der Vorsitzende des Bundes der Naturschützer, verlangt, das Super-Auto, an das wir uns gewöhnt hätten, müsse ein Ende finden und wir bräuchten mehr Radler. Den Ruf hören vor allem junge Leute, von denen manche darauf verzichten, einen Führerschein zu machen, um – wie sie sagen - die Luft nicht noch mehr zu verpesten. Das ist ehrenwert.

Praktisch ist es nicht. Und deshalb fährt der Mensch dann doch lieber mit dem Auto.

Ich auch. Obwohl ich ein Leben lang abends, nach den Stunden am Computer, mit dem Fahrrad durch den Wald gebraust bin, liebe ich es, am Steuer zu sitzen. Und dies nicht nur, weil die Knie inzwischen beim Radfahren schmerzen, auch nicht, weil Stuttgart mit seinen steilen Hängen und der Platznot im Zentrum niemals eine Fahrradstadt werden kann. Nein es ist die Leidenschaft für das Auto, für diese wunderbare und bis zur Perfektion weiterentwickelte Erfindung aus dem neunzehnten Jahrhundert, die mich in unseren autokritischen Zeiten bei der Stange hält. Denn Autofahren, das bedeutet Freiheit.

Es bedeutet, agil, effizient und selbstständig zu sein; es heißt, auf äußerst bequeme Weise – trotz des Gewühles – die Dinge des Alltags zügig erledigen zu können; es ermöglicht, Kinder sicherer zu transportieren als in diesen völlig ungeschützten und den Abgasen ausgesetzten Fahrrad-Anhängern; es erlaubt älteren Leuten, unabhängig und beweglich zu bleiben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Und natürlich kann man mit dem Auto auf sehr angenehme Weise von einem Ort zum anderen gelangen und dabei die Schönheit der Landschaften genießen. Schließlich hat nicht jeder Lust und Kraft, um mit dem Rad oder gar zu Fuß über die Alpen zu pilgern.

Elektro-Autos – nicht immer ein Gewinn für die Umwelt

Aber der vielzitierte, viel beschworene ökologische Fußabdruck? Zählt der nicht?

Doch, der zählt. Deshalb wurden Elektro- Autos und Hybrid-Wagen erfunden. Allerdings lässt der Absatz noch zu wünschen übrig, außerdem ist der Gewinn für die Umwelt mit dieser Technik noch gar nicht sicher bemessen. Und woher der Saft kommen soll, wenn die Atomkraftwerke alle abgeschaltet sind, die Kohlekraftwerke demontiert und die Windkraft nicht reicht, weil die Bürger das Rauschen und Dröhnen der gewaltigen Flügel nicht vor der Haustüre haben wollen – auch das ist noch in der Schwebe. Ganz abgesehen davon verschandeln diese Riesenspargel die Landschaft, und ihre Entsorgung, wenn sie alt und klapprig sind, ist bis jetzt ebenfalls nicht klimaneutral gelöst. Aber vielleicht beschert uns ja der Wasserstoff oder eine andere geniale Erfindung bald die Rettung. Bis dahin wird es verdammt schwer werden, den Leuten das Autofahren auszutreiben,

Das Auto gehört zu Deutschland. Hier wurde das Auto erfunden, in Stuttgart entstand die erste Autofabrik. Beim Daimler werden immer noch die schönsten und besten Autos der Welt gebaut. Wir leben vom Auto. Unsere Stadt kann kein idyllisches Dorf sein, und sie sollte kein Detroit werden. Sie ist eine äußerst erfolgreiche Technik-Metropole, also lebendig und umtriebig. Jetzt bekommt sie auch wieder einen Oberbürgermeister, der zu ihr passt.