„Tanz der Vampire“ im SI-Centrum ohne Kevin Tarte, den Ur-Krolock? Undenkbar für viele Fans! Boykottaufrufe kursieren, weil die Stage Entertainment dem Altmeister eine Absage erteilt hat.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Ein düsterer Herr mit schwarzem Umhang huscht an den Säulen des Königbaus vorbei. Es dürstet ihn – nach Blut!

 

Dass die Untoten erneut in der Stadt sind, um am 26. Januar im Palladium-Theater die dritte Spielzeit des bald 20-jährigen Musicals „Tanz der Vampire“ zu starten, soll den Lebenden nicht entgehen. Aktionen mit steilen Zähnen in der City häufen sich nun. Stuttgart ist für die zur Ewigkeit Verdammten ein Heimspiel – und doch will bei den heimischen Fans keine Freude aufkommen.

Denn einer, den sie lieben, fehlt: Kevin Tarte, den 1999 der große Roman Polanski persönlich als Graf Krolock ausgewählt hat und der seitdem in Möhringen lebt, erhielt eine Absage für die Rolle seines Lebens, die er über viele Jahre in Stuttgart, Hamburg und Berlin spielte. „Kevin hätte die horrenden Eintrittspreise zur Nebensache gemacht“, sagt Klaus Schnaidt als Sprecher der Fans. Für ihn ist der US-Sänger als Chef-Vampir„the one and only“. Seine Art, seine Bühnenpräsenz und sein Gesang seien „einzigartig“. In der riesigen Fangemeinde, berichtet er, wollten viele ohne Kevin Tarte „Stuttgart knallhart boykottieren“.

Jan Ammann kommt nach Stuttgart

Nächste Woche wollen die Musicalmacher das Geheimnis lüften, wer im dritten Durchlauf für die unstillbare Gier den Chefumhang überstreifen darf. Für die Hauptrolle sind, wie unsere Zeitung vorab erfahren hat, gleich drei Musicaldarsteller vorgesehen, die in den vergangenen Jahren großen Erfolg hatten und bei der Tourneeproduktion von „Tanz der Vampire“ eingespielt sind: Jan Ammann, Thomas Borchert und Mark Seibert. Auch die drei haben viele Fans – doch auf die Stuttgarter Wünsche nimmt die Hamburger Stage-Zentrale keine Rücksicht. Publikumsliebling Tarte wäre bereit, an einigen Tagen zu spielen, ohne die Erstbesetzung für sich zu beanspruchen.

„Im Moment ist er in Stuttgart nicht für die Rolle vorgesehen“, bestätigt Stephan Jaekel, der Hamburger Sprecher des neuerdings von luxemburgischen Investoren dominierten Musicalunternehmens.

An jedem „Tanz-der-Vampire“-Standort, sagt Jaekel, erlebe die Stage eine „riesige Fan-Diskussion über die Besetzung, namentlich des Grafen - weit mehr als bei jedem anderen Musical“. In den sozialen Medien müsse er manchmal sogar „zur Höflichkeitsräson aufrufen“. Schön sei es, wie sich Kevins Fans stark für ihn machten. Davon ist er beeindruckt und verspricht, „mit der Castingabteilung“ zu sprechen.

Der Musicalstar als Model

Wie die Fans noch immer den Wahl-Stuttgarter Kevin Tarte verehren, hat sich zuletzt an den Verkaufszahlen des Fotokalenders 2017 gezeigt, auf dem der Musicalsänger wie ein Model zu sehen ist. Mit der Fotografin Conny Wenk war Tarte, der Silvester bei MdB Stefan Kaufmann und dessen Partner Rolf Pfander gefeiert hat, bei deren Hochzeitssegnung er 2015 in der Kirche des Alten Schlosses sang, für die aufwendigen Aufnahmen nach Rom geflogen.

Geht der Plan der Stage auf, „Tanz der Vampire“ in der Tourneeproduktion als schneller Umsatzbringer nach dem „Rocky“-Flop im Palladium-Theater einzusetzen, ohne die Besonderheiten und Wünsche des Stuttgarter Publikums zu berücksichtigen? Im Herbst kehrt das Grusical nach Wien zurück, wo es vor 20 Jahren Weltpremiere hatte, während „Bodyguard“ von Köln nach Stuttgart wechseln soll.

Was der Korrespondent der „Süddeutschen“ über Stuttgart denkt

Umziehen wird auch Max Hägler, der Stuttgarter Wirtschaftskorrespondent der „Süddeutschen Zeitung“, der nach fünf Jahren in die Münchner Zentrale zurückkehrt. Sein Blatt lädt zu seinem Abschied und zum Start von Nachfolger Stefan Mayr für den 2. Februar an einen Ort, an dem „Erfindertum und Kultur einzigartig zusammenkommen“, wie es in der Einladung heißt – ins Foyer des Theaters Rampe, das gleichzeitig die Bahnhofshalle der Zacke ist. Nicht nur hier zeigt sich für Hägler, dass Stuttgart mehr bietet, als sich dies ein Münchner vorstellen kann. „Allen Schmähungen und der Königstraße zum Trotz“ sei es für ihn die „größte Überraschung“ gewesen, „wie schön die Stadt ist“.

Eine Lobesspur zieht er „vom Blaustrümpflerweg über die Bärenseen, den Kunstwaggons, der Eisdiele am Bismarckplatz, dem Besinnungstempel über Untertürkheim bis zum Bad Berg“. Negativ verbucht Hägler „diesen Trollinger“ und Differenzen beim Humor: „Bayern und Schwaben bleiben weiterhin nicht ganz kompatibel, aber es klappt schon.“ Für den Biergarten der Karlshöhe hat er trotz traumhafter Aussicht einen Verbesserungsvorschlag: „Bitte schneller, entspannter und mehr lachen, liebe Macher! Dann gewinnt der Ort plötzlich einen Zauber, wie auch ganz Stuttgart sehr gewinnen würde, wenn die Leute freundlicher schauen, weniger über Autos und Geld reden und sich getrauen, die anderen Menschen anzuschauen!“

Mehr Selbstbewusstsein wünscht uns Hägler: „Die Stadt hat so viel Originales. Da muss man nicht abkupfern und sich kleinmachen.“ Das ist keine Kleinmacherei, lieber Herr Kollege, das ist Understatement, also sympathisch, verdammt! Wir Schwaben sagen’s sonst nicht laut, aber jetzt verraten wir, was wir in Wahrheit wissen: Wir sind die Größten! Und ein Umzug nach München wär’ für uns die Höchststrafe. Alles Gute, Max!