Um etwas zu haben, muss man es nicht dauerhaft besitzen. Die Flüchtigkeit der Online-Kommunikation wirkt sich auch auf unsere Vorstellung von Eigentum aus. Der StZ-Kolumnist Peter Glaser beschreibt den radikalen Wandel.

Stuttgart - Die Flüchtigkeit des Online-Austauschs verändert unsere Auffassung von Eigentum auf erstaunlich radikale Weise. Was man bisher unter persönlicher Habe verstand, bezeichnet der Begriff „Besitz“ sehr anschaulich: nämlich etwas, auf dem man quasi saß, damit es einem nicht abhanden kommen konnte. Wichtigste Eigenschaft von Eigentum war das Bleibende. Eine Idealform von Besitz sind Häuser, die man auch beim besten Willen nicht wegtragen kann. Es sind echte Unbeweglichkeiten. Immobilien.

 

Aber die Dinge sind in Bewegung geraten. Schon ehe im Netz das große, stofflose Fließen begonnen hatte, konnte man zum Beispiel an modernen Möbeln erkennen, dass der Mensch und die ihn umgebenden Materialien zunehmend mobil werden. Das Festgefügte schwindet auch aus der Innenarchitektur. An seine Stelle treten verschiebbare Wände, modulare Schränkchen und immer mehr Mobiliar, das auf Rollen steht. Nichts ist mehr fix. Immer mehr Einrichtungsgegenstände sind ständig abfahrbereit und geben zu verstehen: Ich bin nur vorübergehend hier, ein Provisorium.

Wozu braucht man Keller? Wir leben in der Ebay-Ökonomie

Die alte Wirklichkeit versucht sich der Wendigkeit von Software anzupassen. Im digitalen Austausch realer Waren findet denn auch die eigentliche Revolution statt. War früher Besitz verbunden mit dem Wunsch, etwas lange zu behalten und dauerhaft zu haben, so lockert sich diese Anziehungskraft heute zunehmend. Die Waren der Welt fahren am Bildschirm an uns vorbei, wie die Teller auf dem Fließband einer Sushi Factory. Auch Statussymbole haben eine neue Qualität. Mit Glanz versorgt man sich heute nicht mehr nur durch den Besitz von Objekten, sondern durch die Art, wie man die Dinge benutzt.

Und all die vielen Sachen, die früher in Kellern und Kammern verstaubt wären, sind heute Teil einer neuen, nachhaltigen Wirtschaft – der Ebay-Ökonomie. Der immobile Besitz hat zu fließen begonnen und strömt durch die Adern des Netzes. Etwas von der Leichtigkeit und Schnelligkeit der Online-Kommunikation geht auch auf all die Dinge über, die Gewicht und Größe haben. Was bisher Materialschwere war, wird nun von einer unirdischen Ideenleichtigkeit beflügelt. Und immer mehr Menschen entdecken die Freude an etwas, das man durchlaufenden Besitz nennen könnte.

Man behält Dinge nicht mehr unbedingt, sie werden zu etwas zunehmend Vorläufigem. Mehr Dinge zu haben, ohne mehr Dinge besitzen zu müssen – mit Hilfe des elektronischen Marktplatzes ist das nun kein Problem mehr. Statt ein Buch fest in seiner Bibliothek zu verankern, besorgt man sich viele Bücher, die man, wenn sie ausgelesen sind, wieder in den Kreislauf des sanften Konsums entlässt. Nicht mehr Besitz anzuhäufen ist das Ziel des netzökonomischen Zeitgenossen, sondern Besitztum strömen zu lassen. Liquide zu sein, heißt nicht mehr, einen Sack Geld neben sich stehen zu haben, sondern die Dinge im Fluss zu halten.

Hier geht’s zum Blog „Glaserei“ des Autors.