Die Schießerei in München zeigt: Es gibt keine Sicherheit. Nirgends. Der Traum von einem friedlichen Leben in einer friedlosen Welt ist geplatzt. Der Schmerz darüber ist unsagbar groß, schreibt Michael Maurer.

Stuttgart - Es hat nach den ersten Meldungen über Schüsse in einem Münchner Einkaufszentrum gut zwei Stunden gedauert, bis die Polizei das aussprach, was jedermann, der die Bilder und die Berichte aus der bayerischen Landeshauptstadt gesehen hatte, schon ahnte: Es gebe eine „akute Terrorlage“ in der Stadt. Spätestens in diesem Moment war klar, dass der Terror, den wir bisher vor allem in anderen Ländern beklagen mussten, endgültig und in einer furchtbaren Dimension in Deutschland angekommen ist. Es gibt Tote, es gibt Verletzte, eine Millionenstadt ist im Ausnahmezustand, und viele ihrer Bewohner haben eine Nacht in Angst hinter sich. Dabei ist es eine bittere Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet jene Stadt, die bei den Olympischen Spielen 1972 schon einmal Schauplatz einer terroristischen Attacke war, jetzt erneut getroffen wurde.

 

Wir wissen noch wenig über den Täter, über Motive, mögliche Hintermänner oder über Ziele. Am Ende aber ist dieses Wissen für unsere Gefühlslage auch gar nicht entscheidend. Es ist zweifellos wichtig für die Sicherheitsbehörden, die all diese Fragen aufklären und ihre Schlüsse daraus ziehen müssen. Doch völlig unabhängig davon wird sich eine Gewissheit in unsere Köpfe einbrennen: Es gibt in diesen Zeiten globalen Terrors keine Sicherheit – nirgends, auch nicht in dem in jüngster Zeit von mörderischen Angriffen verschonten Deutschland. Die Hoffnung, es könne anders sein, ist am 22. Juli 2016 zerstoben. Wir sind mittendrin in dieser Gewaltspirale – und wir werden ihr auch kaum entrinnen können.

In dieser Situation kann es keinen Trost geben

Noch eines ist nämlich gewiss: Es gibt in dieser Welt, wie wir sie derzeit vorfinden, zu viel Hass, zu viel Verblendung und zu viel Verachtung für den Wert des menschlichen Lebens, als dass wir in absehbarer Zeit auf Besserung hoffen dürfen. Dieser existenziellen Bedrohung wird eine Gesellschaft auch nicht durch noch mehr Prävention, noch mehr Polizei, noch mehr Sicherheit oder noch mehr Wachsamkeit Herr werden. Diese Sätze sind schon nach den Anschlägen in Frankreich und in Belgien gefallen. Damals war ihre Bedeutung eher abstrakt, weil sie auf andere Gesellschaften gemünzt waren. Seit dem Amokläufer im Nahverkehrszug bei Würzburg vor ein paar Tagen, endgültig aber nach dem furchtbaren Anschlag von München ist jedoch klar, dass diese Argumentationskette für Deutschland ebenso gilt wie für die zuvor vom Terror getroffenen Länder.

In dieser Situation kann es keinen Trost geben. Die weltweite Solidarität nach jedem Anschlag – ob in Brüssel, Paris, Nizza oder jetzt eben München – mag den Schmerz lindern. Aber Trost, der die traumatischen Erlebnisse überwinden hilft und in eine bessere Zukunft weist, gibt es nicht. Es gibt allenfalls Trotz.

Es gibt kein friedliches Leben in einer friedlosen Welt

Den Trotz einer Gesellschaft wie der unsrigen, die zu Recht stolz sein kann auf das, was sie in den vergangenen gut 70 Jahren erreicht hat. Den Trotz, dass sie sich diese Errungenschaften eines demokratischen, freiheitlichen Lebens von niemandem zerstören lässt – weder von Terroristen, die von außen kommen, noch von Wirrköpfen, die diese Gesellschaftsordnung von innen auszuhöhlen trachten. Dies ist in dem Moment, in dem die schrecklichen Bilder aus München in den Köpfen sind und in dem das Schicksal vieler Menschen noch unklar ist, viel verlangt. Aber es ist die einzige Gegenwehr, die uns im Angesicht des Terrors bleibt und die uns weiterhilft.

Doch dies sind gleichzeitig die Gedanken und die Hoffnungen von morgen. Heute bleiben erst einmal die große Trauer um die Toten und die Verletzten von München; die Trauer um den endgültig geplatzten Traum von einem friedlichen Leben in einer friedlosen Welt. Dieser Schmerz ist unsagbar groß.