Die Einschaltquoten für das Fernsehjahr 2011 liegen vor - und das Ergebnis für ARD und ZDF ist desaströs. RTL ist Marktführer. Wer zieht daraus die nötigen Schlüsse?

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Das war am Mittwoch für ARD und ZDF ein schöner Tag. Als Bundespräsident Christian Wulff überlegte, in welchem Rahmen er sich und sein Gebaren dem deutschen Volk neuerlich erklären soll, da fiel seine Wahl auf ein Interview mit den Öffentlich-Rechtlichen. Die Intendanten wird es gefreut haben. Endlich konnten sie sich mal wieder so fühlen, wie es ihrer Meinung nach nur recht und billig ist: als Dreh- und Angelpunkt der deutschen Fernsehwelt, als zentraler Kanal zum Erreichen prinzipiell aller deutschen Haushalte.

 

Ansonsten sehen die Intendanten von ARD und ZDF gerade wenig Anlass zur Freude. Die durchschnittlichen Einschaltquoten für das Fernsehjahr 2011 liegen vor - und das Ergebnis für die Öffentlich-Rechtlichen ist desaströs. Beide großen Anstalten haben deutlich an Marktanteilen verloren; die ARD gab von 13,2 auf 12,4 Prozent ab, das ZDF von 12,7 auf 12,1. Das wichtigste deutsche Fernsehprogramm heißt RTL, kommt aus Köln und hat seine Position als Marktführer auf 14,1 Prozent weiter ausgebaut. Und um sein derart erfolgreiches Programm zu produzieren und zu senden, benötigt es keinen einzigen Cent jener ganz besonderen Zwangsabgabe, die in Deutschland "Rundfunkgebühr" genannt wird.

Gebühren bekommen Zwangscharakter

Das ist das Bittere am aktuellen Zahlenwerk, das den Intendanten der Öffentlich-Rechtlichen gehörig auf den Magen schlägt: In einem knappen Jahr tritt die Neuordnung der Rundfunkgebühren in Kraft, also die Umstellung von einer Geräte- auf eine allgemeine Haushalts- und Betriebsabgabe. Das wird ihren Zwangscharakter für viele Bürger noch verstärken. Und das Problem wird eben diesen Bürgern desto größer erscheinen, je weniger sie das derart finanzierte Programm wirklich nutzen.

Bitte keine Missverständnisse! Wenn wir vom Erfolg des Privatsenders RTL sprechen, dann meint das zunächst reine Quantitäten. Um es mal salopp zu sagen: die Kölner kennen, wenn es um Sendungen für ein sehr breites Publikum geht, einfach alle Tricks. Tagsüber spielen dort Laienschauspieler lautstark Lebensprobleme kleiner Leute nach; abends macht Günter Jauch Quiz, Mario Barth Scherze oder Inka Bause Liebe; am Wochenende braust die Formel 1 im Kreis herum. Daneben gibt es eine Reihe von Formaten, die "Dschungelcamp", "Deutschland sucht den Superstar", "Let's dance" oder "Supertalent" heißen, dem Sender eine umfangreiche Begleitberichterstattung in fast allen übrigen Medien garantieren und von Januar bis Dezember gleichmäßig über das Jahr verteilt sind. All das ist handwerklich glänzend gemacht und häufig unterhaltsam. Es ist nie mehr als das, was es sein will: Privatfernsehen.

Nicht ewig den Privaten nachhecheln

Es wäre gut, wenn die Öffentlich-Rechtlichen endlich begriffen, dass sie diese Art von Fernsehen niemals toppen können. Dass sie dabei stets nur wirken wie eine schlechte Kopie. Dass ihnen auch die teuer erkauften Übertragungsrechte von der Fußball-EM und den Olympischen Spielen im Sommer 2012 zwar eine Reihe von Spitzenquoten bescheren, ihnen das beim Jahresdurchschnitt aber wohl wieder nicht helfen wird. Ein Segen wäre es für die Mediendebatte, wenn ARD und ZDF aus dem Privileg ihrer Finanzierung endlich die richtigen Schlüsse ziehen würden, nämlich nicht ewig den Privaten nachzuhecheln, sondern ihren gesetzlichen Auftrag zu erfüllen: Information, Unterhaltung, Kultur, Sport - und zwar auf dem einzigen Niveau, das ihnen angemessen ist: dem bestmöglichen.

Um beim Beispiel zu bleiben: Nicht den Bundespräsidenten zur persönlichen Erklärung zu empfangen, ist der öffentlich-rechtliche Standard, sondern ihm im Interesse des Gebühren zahlenden Bürgers die richtigen, also die kritischsten Fragen zu stellen. Wenn das hier und bei allen anderen Gelegenheiten gelingt, ist die Gebühren- und die Quotendebatte ein für alle Mal entschieden. Nun frage sich jeder selbst, ob die Sendung der erste Schritt dazu war.