Das Daimler-Vorstandsmitglied Andreas Renschler geht. Im Vorstand des Autobauers führt das zu einer Verschiebung: Jetzt ist der Lkw-Chef Wolfgang Bernhard klarer Favorit auf die Zetsche-Nachfolge, analysiert der StZ-Wirtschaftschef Michael Heller.

Stuttgart - Die Informationspolitik der Konzerne treibt bisweilen seltsame Blüten. Da meldet der Daimler-Konzern den Abgang von Mercedes-Produktionschef Andreas Renschler, obwohl mit seinem voraussichtlich neuen Arbeitgeber Volkswagen noch gar nicht alle Einzelheiten ausgehandelt sind.

 

Daimler hat sich zur Veröffentlichung entschlossen, weil ein Wechsel Renschlers hinreichend wahrscheinlich ist. Das genügt mittlerweile. Damit zieht der Konzern die Lehre aus der juritischen Schlappe, die das Ausscheiden des damaligen Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp 2005 nach sich zog. Die Stuttgarter haben damals den geplanten Rückzug ihres Chefs, von dem der Aufsichtsratsvorsitzende Hilmar Kopper seit Mai wusste, erst im Juli – und damit zu spät – bekannt gegeben.

So ist Daimler im Fall Renschler juristisch nun auf der sicheren Seite. Gleichwohl muss bezweifelt werden, dass auf diese Weise der geplante Jobwechsel eines Managers adäquat begleitet wird.

Nachfolger Bernhard?

Mit dem Ausscheiden Renschlers verschiebt sich nun die Machtkonstellation im Vorstand erheblich, denn der bisherige Mercedes-Produktionschef galt zumindest als Mitfavorit für den Fall, dass der Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche, mittlerweile 60 Jahre alt, in absehbarer Zeit den Rückzug antreten sollte.

Nunmehr wird an Vorstandsmitglied Wolfgang Bernhard als Nachfolger kein Weg vorbei führen – eine denkwürdige Wendung. Denn es ist gerade mal ein Jahr her, dass der Manager um ein Haar seinen Vorstandsposten verloren hätte. Bernhard, der keinem Konflikt aus dem Weg geht, hatte sich in der Vergangenheit mit Betriebsratschef Erich Klemm angelegt, der ihn seine Macht spüren ließ.

Das Verhältnis der beiden ist nicht zu reparieren. Aber Klemm wird im Frühjahr ausscheiden, und das eröffnet Bernhard die Chance auf einen Neubeginn mit dem neuen Betriebsratschef Michael Brecht. Dass er sich nicht mehr bei jeder Gelegenheit mit den Arbeitnehmervertretern anlegen will, hat der 53-Jährige bereits signalisiert. Er kann auch sanftere Töne anschlagen. Das zeigt zum Beispiel die Erfolgsprämie, die die Belegschaft der Bussparte Evobus für ihre Anstrengungen erhält, obwohl die Ertragslage weiter mies ist.

Enger persönlicher Kontakt zu Zetsche

Bernhard kennt alle Facetten des Fahrzeuggeschäfts und hat zudem einen engen persönlichen Kontakt zu Zetsche. Das ist gewiss kein Nachteil, sofern der amtierende Chef eines Tages Einfluss auf den Gang der Dinge nehmen kann. Trotzdem gibt es keinen Automatismus, der allen anderen Kandidaten jegliche Aussicht raubt. So genießt zum Beispiel der neue China-Vorstand Hubertus Troska hohes Ansehen. Der 53-Jährige muss allerdings erst noch beweisen, dass er die Probleme von Daimler auf dem Markt lösen kann. Dafür war die Zeit bisher zu kurz; Troska sitzt erst seit einem Jahr im Vorstand. Aber mit Erfolgen in China steigen Troskas Chancen.

Die größte Unbekannte ist freilich der amtierende Chef. Vor einem Jahr war Zetsche auf dem Tiefpunkt. Der Konzern kassierte mehrfach zu optimistische Prognosen und der Vertrag des Chefs wurde statt um fünf nur um drei Jahre verlängert. Beflügelt vom aktuellen geschäftlichen Aufwärtstrend strahlt Zetsche mittlerweile wieder mehr Dynamik und Führungsstärke aus. Diesen Auftrieb sollte er einsetzen, um endlich die Marke Mercedes-Benz im Vorstand angemessen zu positionieren. Dass es seit dem Abgang von Eckhard Cordes vor mehr als acht Jahren keinen richtigen Mercedes-Chef mehr gibt, ist nicht von Vorteil. Ein halber Mercedes-Chef, der nur Produktion und Einkauf verantwortet, ist dauerhaft keine Lösung, wie Renschlers Demission zeigt. Zetsche ist in Personalunion auch für Mercedes-Benz zuständig, aber zwei Jobs sind auch für den besten Manager einer zu viel. Sollte Zetsche ein Einsehen haben, dann käme ein weiterer Kandidat ins Spiel – eine neue Unbekannte.