Der Euro-Hawk-Skandal zeigt, dass im Verteidigungsministerium eine Art Geheimbürokratie betrieben wird. Deren Folgen kommen stets erst dann ans Licht, wenn es schon zu spät ist, kritisiert der StZ-Redakteur Thomas Maron.

Berlin - Es sieht so aus, als ob Verteidigungsminister Thomas de Maizière im Euro-Hawk-Skandal mit einem blauen Auge davonkommt. Der Minister soll, als er von den Problemen bei der Entwicklung der Aufklärungsdrohne erfuhr, versucht haben zu retten, was zu retten ist. Das könnte ihn im Amt halten, ist aber wenig tröstlich. Die Ursachen des Debakels sind vielschichtig, haben auch, aber nicht nur mit Führungsversagen zu tun. Es würde wenig ändern, einen Minister auszutauschen. Denn der eigentliche Skandal ist, dass im Verteidigungsministerium über Jahre hinweg wichtige Abteilungen eine Art Geheimbürokratie betreiben können, deren desaströse Folgen die Leitungsebene erst dann erfährt, wenn es zu spät ist.

 

Seit 2004 wussten die am Projekt Beteiligten von den Schwierigkeiten bei der Zulassung. Damals war übrigens noch Peter Struck Chef der Truppe, ein Sozialdemokrat. Dies wiederum erklärt, weshalb die SPD nicht ganz so forsch einen Untersuchungsausschuss ansteuert, wie die Grünen dies tun. Die Unionsminister nach Struck kamen und gingen, die Probleme blieben.

Ein Projekt ohne parlamentarische Kontrolle

Und wenn nicht neue Dokumente auftauchen, die das Gegenteil beweisen, können sich alle in dieser Zeit verantwortlichen Minister tatsächlich damit rausreden, nicht ausreichend informiert gewesen zu sein. Es ist nicht zu fassen, dass in einer Demokratie ein Ministerium ein Projekt, das mehr als eine halbe Milliarde Euro kostet, nahezu unbehelligt von parlamentarischer Kontrolle und ohne Wissen der Leitungsebene in den Sand setzen kann.

Nun mag man einwenden, Rüstungsbeschaffung sei ein kompliziertes Geschäft. Es stimmt ja auch: die Entwicklungen bewegen sich im Grenzbereich des technologisch Machbaren. Rückschläge sind nicht ausgeschlossen, und wer Mehrkosten um jeden Preis verhindern will, der sollte einen Traktor ordern und keinen Panzer. Es ist legitim, in manchen technischen Bereichen höchste Ansprüche zu formulieren, weil davon Leib und Leben der Soldaten abhängen kann. Bei der Aufklärung beklagen die Soldaten zu Recht eine Sicherheitslücke. Es ist im deutschen Interesse, nicht nur auf Lagebilder der US-amerikanischen Aufklärung angewiesen zu sein – hier sollte die Drohne Euro Hawk Abhilfe schaffen. Selbstredend bedürfen Rüstungsprojekte auch eines sensiblen Umgangs mit Informationen, die Handbücher sollten schließlich nicht im Internet zu finden sein.

De Maizières Ruf ist lädiert

Aber Geheimhaltung technischer Details darf nicht dazu führen, dass eine mit den Lobbyisten der Rüstungsindustrie eng zusammenarbeitende Beschaffungsbürokratie im Verteidigungsministerium sich jeder Kontrolle entziehen kann. Es ist ja nun auch nicht das erste deutsche Rüstungsprojekt, das einem Milliardensumpf gleicht. Auch der Kampfhubschrauber Tiger konnte nicht rechtzeitig abheben, und vielleicht werden es ja unsere Kinder noch erleben, dass der Airbus 400M der Truppe von Nutzen ist, statt immer nur weitere Milliarden zu kosten.

De Maizière steht deshalb in der Pflicht – jetzt erst recht. Sein Ruf ist lädiert. Ausgerechnet der preußische Tugendmensch hat im Verteidigungsministerium nichts zum Besseren gewendet. Deshalb wird er nur dann nicht als Verlierer aus der größten Krise seiner Laufbahn hervorgehen, wenn er das Systemversagen resolut aufarbeitet und eine effiziente Kontrolle durch das Parlament sicherstellt. Diese Aufgabe gleicht dem Kampf gegen Windmühlen, der sicher nicht dadurch erleichtert wird, dass die Zahl seiner Freunde im Ministerium wegen der Probleme bei der Bundeswehrreform überschaubar ist. Aber de Maizière muss damit beginnen, diesen Augiasstall auszumisten. Sonst wird sich das Bild, das de Maizière bisher sorgsam pflegte, weiter wandeln – vom Politmanager mit Tuchfühlung zum Kanzleramt zum gewöhnlichen Amtschef, der an seinem Stuhl klebt.