Im Fall Oscar Pistorius verhängt die Richterin ein mildes Strafmaß – zum Ärger vieler, die den Prozess verfolgt haben. Das Urteil ist trotzdem richtig, meint Johannes Dieterich.

Johannesburg - Richterin Thokozile Masipa hat ihr zweites, korrigiertes Urteil über Oscar Pistorius gesprochen – und wieder stehen politische Frauenverbände kopf. Bereits vor zwei Jahren hatte die Richterin den Paralympics-Star Oscar Pistorius nur des Totschlags und nicht des Mordes für schuldig befunden: Ein Fehlurteil, das sie auf Anordnung der Berufungsrichter hin korrigieren musste. Nun hat Masipa das einstige Sportidol, das seine Freundin 2013 in der Nacht zum Valentinstag mit vier Schüssen tötete, zu nur sechs Jahren Haft verurteilt: „Ein Schlag ins Gesicht aller südafrikanischen Frauen“, wettert die Frauenliga des regierenden ANC.

 

Die wütenden Reaktionen zeigen, dass ein großer Teil der südafrikanischen Bevölkerung davon überzeugt ist, Pistorius habe Reeva Steenkamp mit Absicht erschossen. Das könnte – rein theoretisch – auch wahr sein: Doch nachweisen konnte das keiner. Der Prozessverlauf habe sie davon überzeugt, dass Pistorius tatsächlich einen Einbrecher hinter seiner Toilettentür vermutete, sagte Masipa. Alles andere sei Spekulation. Zu Recht geht sie davon aus, dass Pistorius’ Tat ein verhängnisvoller Irrtum war. Wer aber möchte einen solchen Irrtum, der seinen Urheber psychisch zerstört hat, noch mit einer mehr als sechs Jahre langen Haftstrafe belegen? Die Richterin hat recht. Die Akte ist geschlossen.