Bisher galt Baden-Württembergs Innenminister Gall als Sonnyboy mit glücklichem Händchen. Dass ihm das Verwaltungsgericht in Sachen Polizeireform eine Niederlage beschert hat, kratzt an dem Image, meint StZ-Redakteur Reiner Ruf.

Stuttgart - Unter den mehrheitlich doch ein bisschen graumäusig dahinregierenden SPD-Ministern im Landeskabinett galt Reinhold Gall bisher als der Sonnyboy, der das Innenressort souverän zu führen verstand: zupackend in den Themen, pfiffig in der Taktik und stets zu einem coolen Hüftschwung bereit. Damit ist es jetzt erst einmal vorbei. Zwar desavouiert die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe nicht die Polizeireform: Es bleibt richtig, die Kräfte zu bündeln, um einerseits mehr Beamte auf die Straße zu bringen und anderseits neue Formen der Kriminalität, wie sie etwa das Internet generiert, wirksamer zu bekämpfen. Dennoch verschattet diese juristische Niederlage Galls unzweifelhaften Erfolg, eine derart groß angelegte Reform vergleichsweise reibungslos über die Bühne gebracht zu haben – mit den Kräften der eigenen Verwaltung und ohne das heute selbstverständlich gewordene Mittun teurer externer Berater.

 

Im Kern monieren die Verwaltungsrichter eine freihändige Vergabe der im Rahmen der Polizeireform geschaffenen Führungspositionen. Abseits aller juristischen Spiegelfechtereien decken sie damit eine offene Flanke in Galls Gebaren auf. Der Innenminister räumt der Polizeiführung eine Autonomie ein, die dem Mantra folgt, dass die Polizeifachleute selbst am besten wissen, was der Polizei nutzt und frommt. Dies führt dann zu Argumentationsfiguren wie der, dass es doch eines schriftlichen Leistungsvergleichs der Bewerber nicht bedürfe, wenn der Inspekteur der Polizei ohnehin die wenigen infrage kommenden Aspiranten alle persönlich kenne. Das führt dann auch dazu, dass – anders als bisher – unter den Polizeipräsidenten keine Juristen mehr zu finden sind, schon gar keine, die nicht aus den Reihen der Polizei kommen. Dabei täte gerade einer derart streng hierarischen Organisation ein ebenso strenger Blick von außen ganz gut.

Der Kläger macht sich angreifbar

Allerdings lohnt es sich, auch den Urheber der einstweiligen Anordnung aus Karlsruhe in den Blick zu nehmen. Joachim Lautensack ist Landeschef der Polizeigewerkschaft im Beamtenbund und hat sich als solcher als scharfer Kritiker der Gall’schen Polizeireform hervorgetan. Was ihn aber nicht davon abhielt, sich selbst um einen Präsidentenposten zu bewerben und – nach prompter Ablehnung – vor Gericht zu ziehen. Eine solche Verquickung von Verbandspolitik und Eigeninteresse verbietet sich. Wie will sich Lautensack nun etwa des Vorwurfs erwehren, sein Widerstand gegen die Reform sei von der taktischen Überlegung getragen gewesen, der Minister werde dem gängigen Reflex aller Machtstrategen folgen und den lautesten Kritiker schlicht dadurch zum Schweigen bringen, dass er ihn einkauft? Richtig gehandelt hätte der Gewerkschaftschef, hätte er einem unterlegenen Bewerber, sofern aufzuspüren, zu einer Klage geraten und des Beistands seines Verbands versichert.

Weiteres kommt hinzu: Lautensack ist in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Hauptpersonalrats der Polizei seit dem Jahr 2001 freigestellt und ohne operative Verantwortung bei der Polizei. Dennoch avancierte Lautensack 2010 zum Chef der Wasserschutzpolizei im Land. Eine Funktion, die er aufgrund der Freistellung als Personalratschef indes nicht ausübte. Solche Doppelkarrieren sind im Beamtenreich durchaus möglich: Mittels einer fiktiven „Laufbahnnachzeichnung“ wird eine Leistungsbewertung erstellt, die der Frage nachgeht, wo der Betreffende in der Polizei stünde, wenn er auf dem ursprünglichen Karrierepfad geblieben wäre. Wer nicht ganz tief drinsteckt im Wesen des Beamtentums und auch mit der Astrologie wenig vertraut ist, erreicht da dann doch die Grenzen seines Verständnishorizonts.

So viel aber erhellt sich doch: im Machtspiel Lautensack versus Gall sind die Karlsruher Verwaltungsrichter nur Figuren auf einem Schachbrett.