In Rumänien tobt ein Machtkampf, der die Grundfesten Europas erschüttert. Die Europäische Union muss sich gegen der Ausverkauf der demokratischen Werte wehren, kommentiert StZ-Redakteur Knut Krohn.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Bukarest - Tut etwas! Die führenden Politiker Europas müssen sich bewegen. Rasch und entschlossen, aber auch mit der nötigen Besonnenheit müssen sie handeln, um größeren Schaden abzuwenden. Dieses Mal geht es nicht um Finanzkrise und Rettungsschirme – in diesem Fall geht es um mehr, es geht um das Ansehen der Demokratie, auf lange Sicht um die Grundfesten der Europäischen Union.

 

In Rumänien tobt seit Monaten ein Machtkampf, in dessen Verlauf die Protagonisten längst keine Rücksicht mehr auf Verfassung, Recht und Gesetz nehmen. Vorläufiger Höhepunkt: der sozialistische Premier Victor Ponta hat mit seiner Mehrheit im Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen den konservativen Präsidenten Traian Basescu in die Wege geleitet. In einem funktionierenden Staatswesen ist das sein gutes Recht, doch hat Ponta auf dem Weg zu seinem Ziel einige zentrale Spielregeln der Demokratie außer Kraft gesetzt. Beispielsweise hat der Premier die Gewaltenteilung ausgehebelt, indem er das Vetorecht des Verfassungsgerichtes in dem Verfahren streichen ließ.

Europa ist irritiert

Nun hat Europa in diesen Monaten sehr viel zu tun. Der Kampf um den Euro scheint alle Kräfte zu binden, weshalb die Querelen in Bukarest lange nicht beachtet wurden. Erst nach der putschartigen Absetzung des Präsidenten will der Europarat das Amtsenthebungsverfahren gegen Basescu überprüfen. Und auch der Rest der EU scheint zumindest irritiert. Viviane Reding, die zuständige Kommissarin für Justiz, hat ihre Sorge über die Vorgänge zum Ausdruck gebracht. Der rumänische Premier Ponta wird diese Woche in Brüssel dem EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso Rede und Antwort stehen müssen. Der ansonsten sehr impulsive und wortgewaltigen Parlamentspräsident Martin Schulz hält sich bis jetzt auffallend zurück. Ob das damit zusammenhängt, dass der Premier – ebenso wie Schulz – dem sozialistischen Lager zugerechnet wird? Der konservative deutsche EU-Parlamentarier Elmar Brok jedenfalls hat das Verfahren deutlich als „Staatsstreich“ verurteilt.

Die Europäische Union macht keine gute Figur – wie schon in ähnlichen Situationen zuvor. Brüssel reagiert zu spät und im vielstimmigen Chor auf solche Herausforderungen, die am Kern der Union rühren. Dabei ist es in diesen Zeiten der Krise wichtig, geschlossen für die staatlichen Institutionen und das geltende Recht einzutreten. Denn in einem Klima der Unsicherheit ist die „antidemokratische Ansteckungsgefahr“ groß. Rumänien ist schon der zweite Staat, der einen Besorgnis erregenden Weg einschlägt. Premier Ponta konnte sich ein Beispiel an seinem ungarischen Kollegen Victor Orbán nehmen, der das Land seit Jahren nach seinem Gutdünken umbaut. Beide Regierungschefs offenbaren mit ihrem autoritären Tun ein fehlendes Demokratiebewusstsein, welches das europäische Integrationsprojekt stärker infrage stellt als alle finanzpolitischen Sünden.

Ein Rückfall in autoritäre Strukturen

Kein Zufall ist, dass zwei Ländern des ehemaligen Ostblocks ein Rückfall in autoritäre Strukturen droht. Die Menschen sind müde und zermürbt von zwei Jahrzehnten des permanenten Übergangs. Die Eliten aus der Zeit des Kommunismus haben sich nahezu nahtlos ins neue System gerettet. Oft herrschen Korruption und Misswirtschaft. Die ohnehin nur schwache Mittelklasse ist angesichts der Finanzkrise in Auflösung begriffen, eine Zivilgesellschaft existiert allenfalls rudimentär. Die ureigene Aufgabe der EU muss in dieser Situation sein, Orientierung zu bieten – den Regierenden und auch der Bevölkerung. Zeigen sich Probleme, muss Europa schnell und frühzeitig ein Leitsystem mit wirkungsvollen Sanktionsregeln aktivieren können. Klar ist: es geht dabei nicht darum, in die Parteipolitik eines Landes einzugreifen, sondern die grundlegenden demokratischen Werte Europas zu verteidigen.