Die Niederlage von CDU und FDP in Niedersachsen ist für Schwarz-Gelb ein schlechtes Omen für die Bundestagswahl. Die Generalprobe für die Operation Machterhalt war ein Albtraum, meint der Berliner Büroleiter der StZ, Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Schlechter hätte dieses Wahljahr für die Kanzlerin kaum beginnen können: Die Entmachtung ihrer Partei in den Ländern schreitet voran. Die Republik färbt sich weiter rotgrün ein. Die CDU verliert noch ein bedeutendes Bundesland – und verschleißt noch eine talentierte Nachwuchskraft, die das Zeug zum Kronprinzen hatte. Die Union leistet Überlebenshilfe für die FDP, ohne dass sich das ausgezahlt hätte. Obendrein bleibt ihr der glücklose Juniorpartner erhalten. Das alles ist ein schlechtes Omen für den Herbst, wenn es darum geht, ob Angela Merkel sich an der Macht behaupten kann.

 

Gibt es ein übleres Schicksal, als dazu auf die FDP angewiesen zu sein? Darüber grübeln längst auch viele Unionisten nach – seit Sonntag mit besonderem Ingrimm. Bei den Liberalen hatte sich eine Palastrevolte angekündigt, aber die Königsmörder verließ offenbar der Mumm. Die wundersame Stimmenvermehrung an diesem Sonntag hat Parteichef Philipp Rösler gerettet. Dabei handelt es sich keineswegs um dessen eigenes Verdienst, sondern um eine Transfusion, die eigentlich den CDU-Ministerpräsidenten David McAllister im Amt halten sollte. Das ist die Ironie dieses taktischen Kalküls: Jetzt hält sich Rösler, und McAllister ist sein Amt los.

Schwarz-Gelb ist kein Erfolgsmodell

Das Mirakel von Hannover macht aus Rösler aber keinen Erfolgsgaranten. Die FDP bleibt so zerstritten wie eh und je – was sich schon am Morgen nach der Wahlparty besichtigen ließ. Der zum Spitzenkandidaten geadelte Fraktionschef ist bisher nicht durch programmatischen Einfallsreichtum aufgefallen. Einen neuen Aufbruch verkörpert er gewiss nicht. Rainer Brüderle steht für solide Brot-und-Butter-Themen, wie er das selbst auszudrücken beliebt. Aber wird das reichen, um genügend Attraktivität bei den Wählern zu gewinnen? Brüderles eigener Landesverband ist bei der letzten Wahl in Rheinland-Pfalz jämmerlich gescheitert.

Merkels Sorgen sind die alten – es sind bloß noch ein paar neue dazu gekommen. Schwarz-Gelb ist erwiesenermaßen kein Erfolgsmodell, Beschwörungsfloskeln ändern daran nichts. Der mitternächtliche Katzenjammer von Hannover liefert neues Anschauungsmaterial. Die Generalprobe für Merkels Mission Machterhalt war jedenfalls ein Albtraum.

Die FDP bleibt ein Unruheherd – und vorerst wohl weiter mit sich selbst beschäftigt. Die Kanzlerin musste in Niedersachsen erfahren, dass Popularität sich nicht eins zu eins in Wählerstimmen ummünzen lässt. Ansonsten hätte „Merkels Mac“ triumphieren müssen. Das sollte der CDU-Chefin eine Warnung sein. Im Aufwind ihres persönlichen Ansehens entschweben die Umfragewerte ihrer Partei den seit Jahren gewohnten Niederungen. Doch solche demoskopischen Momentaufnahmen sind trügerisch, wie McAllister lernen musste. Der Umfragekönig von Hannover ist abgestürzt. Beliebtheit ist eine hilfreiche, aber keine hinreichende Voraussetzung, um an der Macht zu bleiben.

Rot-Grün verspürt Rückenwind

Zudem scheint der von Merkel bevorzugte Wohlfühlwahlkampf nicht zu verfangen. Wer nur darauf bedacht ist, die Anhänger der Konkurrenz einzuschläfern, muss am Ende befürchten, die eigenen Leute zu langweilen. Motivation erwächst aus einem solchen Konzept ganz gewiss nicht. Der Kampf ums Kanzleramt wird kein Spaziergang, mag der Herausforderer seinen Start auch verstolpert haben. Sozialdemokraten und Grüne verspüren jetzt Rückenwind, der Union bläst eine heftige Böe entgegen.

Merkel stehen schwierige Zeiten bevor. Die Siegesgewissheit der Union ist erschüttert. Niederlagen schüren die Nervosität. Doch auf Bundesebene sind die Verhältnisse anders als in Hannover. Auch hier steht eine Richtungswahl an. Aber Rot-Grün ist nicht die einzige Alternative zu Schwarz-Gelb. Merkel hat mehr Machtperspektiven als ihr verhinderter Kronprinz.