Die Verhandlungen über ein schwarz-gelb-grünes Bündnis enden ohne Erfolg. Mit dem Scheitern von Jamaika scheitert auch Angela Merkel, kommentiert Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Jamaika bleibt in der Karibik – unerreichbar für Angela Merkel. Die deutsche Kanzlerin wollte ein Bündnis in den Farben der Reggae-Insel knüpfen und ist damit gescheitert. Wer Deutschland künftig regieren soll, ist noch ungewisser als vor 57 Tagen: am Abend nach der Wahl. Sieben Parteien sitzen im Deutschen Bundestag. Mit den beiden ganz links und ganz rechts möchte Merkel nicht regieren, die anderen möchten nicht mit ihr. So ausgeprägt war die Unfähigkeit zu einem staatstragenden Kompromiss noch nie in der 68-jährigen Geschichte der Bundesrepublik. Merkel ist nicht schuld daran, doch ihr wird die Verantwortung angelastet und sie vor allem hat die Folgen zu tragen. Mit Jamaika scheitert auch Merkel.

 

Die Lage ist verfahren, wenn auch nicht aussichtslos. Der Schiffbruch in den Sondierungsgesprächen lässt Deutschland nicht in einer Staatskrise untergehen. Gleichwohl erweckt der Eklat kurz vor Mitternacht den Eindruck, nun sei auch dieser Hort der Stabilität in der Mitte Europas vom Virus der Unregierbarkeit befallen, der vielerorts grassiert. Auch ohne eine neue Koalition bleibt das Land nicht führungslos. Die geplatzten Jamaika-Träume sind dennoch ein verheerendes Signal.

Die Suche nach dem Schwarzen Peter

Nun werden die verhinderten Koalitionäre mit noch größerem Eifer als beim Ringen um ein akzeptables Regierungsprogramm bemüht sein, der alten und jetzt auch bleibenden Konkurrenz den Schwarzen Peter in diesem langwierigen Spiel um die Macht unterzuschieben. Doch die Schuld ist nicht eindeutig zuzuordnen. Das ist auch eine nachrangige Frage, die allenfalls im Falle einer Neuwahl für Wähler wieder interessant wird, die ihre Stimme nicht gerne nutzlos verschenken.

Unmittelbaren Schaden nimmt vor allem die auf weiteres nur noch provisorische Kanzlerin. Statt einer Angela IV. ist sie jetzt eine Angela auf Abruf. Die Rechnung ist ganz einfach: Merkel braucht eine Mehrheit, wenn sie sich und ihre Union weiter an der Macht halten will. Nach Wochen des Taktierens ist es ihr nicht gelungen, eine solche Regierungsmehrheit zu organisieren. Das ist eine Sünde aus der Warte der christlich etikettierten Parteien, die sich vor allem als Apparate zur Verteidigung der Macht verstehen. So eine Pleite wird schwerlich verziehen.

Wenn es Merkel nicht gelingt, die Sozialdemokraten aus dem Schmollwinkel zu holen, dürfte ihre Ära schneller zu Ende gehen, als sie das wahrhaben wollte. Schließlich hatte sie sich nach dem 24. September ungeachtet der desaströsen Einbußen noch wie eine Wahlsiegerin aufgeführt. Jetzt zeichnet sich ab: Der erste Platz in der Rangliste der Parteien ist für die Union wertlos.

Die Wähler werden sich betrogen fühlen

Es geht hier aber nicht um das Wohlergehen und die Machtperspektiven der Parteien. Der Triumph des Misstrauens beschädigt das Ansehen der ganzen Republik. Und er wird jene bestärken, die ohnehin der Ansicht sind, Politik sei ein uneffektives Geschäft, in dem jeder nur auf den eigenen Vorteil bedacht sei. Gewiss, die CSU mag hoffen, zuhause in Bayern von ihrer Härte in Migrationsfragen und der Garstigkeit gegenüber den Grünen zu profitieren, diese wiederum von ihrer als „Patriotismus“ deklarierten Kompromissbereitschaft, die Liberalen von dem Anschein, Wahlversprechen seien ihnen wichtiger als Ministerposten. Am Ende zählen sie aber allesamt zu den Verlierern.

Die Wähler werden sich betrogen sehen, wenn sie erneut an die Urnen müssen, weil die Parteien mit ihrem Votum nichts anzufangen wissen. So organisiert man das nächste Stadium der Politikverdrossenheit herbei. Langfrist hätte eine Neuauflage der großen Koalition, die jetzt als Notnagel erscheint, leider die gleichen Folgen. Der Demokratie haben die Koalitionsverweigerer mit ihrer angeblichen Prinzipientreue einen schlechten Dienst erwiesen. Die Rechnung wird jeder von ihnen zu bezahlen haben.