Massenhafte Krankmeldungen wie bei Tuifly und Air Berlin wirken inszeniert. Sie sind rechtlich riskant und bringen in der Sache wenig – daher sind sie als Protestmittel in solchen Konflikten nicht zur Nachahmung empfohlen, meint Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Beschäftigten von Tuifly und Air Berlin, die sich derzeit mit Arztattesten vom Flugbetrieb abmelden, verdienen zunächst einmal Verständnis. Es ist völlig klar, dass sich die Angst um ihre Arbeitsplätze auf den Gemütszustand niederschlägt. Einige Mitarbeiter dürfte die Verunsicherung über die Zukunft der Fluggesellschaften so schwer treffen, dass der Schwebezustand sie regelrecht arbeitsunfähig macht. Das Bedauern der Unternehmensleitungen über die Flugausfälle und den Schaden für die Kunden wirkt daher etwas scheinheilig, sind die Manager doch verantwortlich für die allgemeine Irritation. Nach längerer Phase der Spekulationen sollen erst Ende nächster Woche bei einer Aufsichtsratssitzung Details des Umbaus bekannt gemacht werden, beklagt der Betriebsrat. Die Unsicherheit hält also an.

 

So viele Krankmeldungen sind kein Zufall

Dennoch ist es gewiss kein Zufall, dass sich so viele Crews gleichzeitig krank melden. Da dürften Arbeitnehmervertreter den Rat zum Arztbesuch gegeben haben. Ganz ohne Gegenwehr sollen die Umstrukturierung demzufolge nicht über die Bühne gehen, und für einen offiziellen Streik sind derzeit die Voraussetzungen nicht gegeben. Dass sich die Flugbegleiter-Organisation Ufo vom Verdacht einer Inszenierung distanziert, erscheint aber auch logisch. Andernfalls drohten der Gewerkschaft bei einer Klage Schadenersatzzahlungen, die am Ende die Existenz gefährden könnten. Das Vorgehen der Arbeitnehmer ist rechtlich so unsauber, dass es als taktisches Mittel nicht zur Nachahmung empfohlen ist.

Niedergang der Urlaubsflieger

In der Sache helfen massenweise Krankmeldungen wohl auch nicht weiter. Denn es besteht Handlungsbedarf bei der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft Air Berlin, die immer weiter in die roten Zahlen fliegt. Im neuen Verbund mit Tuifly wäre sie wenigstens ihren Urlaubsflugbereich los. Dass der Touristikkonzern Tui und Air-Berlin-Großaktionär Etihad sich davon Synergien erhoffen, lässt sich nachvollziehen. Würden sie nichts tun, würde der Druck der Billigflieger wie Ryanair, Vueling oder Easyjet auf den europäischen Ferienflugmarkt immer stärker. Schon jetzt leidet das Geschäft der einstmals renommierten Marken schwer unter dem Überangebot. Gemessen daran sind die Krankmeldungen der deutschen Flugzeugbesatzungen ein Akt der Verzweiflung. Sie werden die Entwicklung nicht aufhalten.