Die Euroretter haben in der Zypern-Krise erst ein Chaos produziert und fanden dann nur unter dem Druck der EZB eine Lösung. Der europäischen Politik fehlt die Kraft, kritisiert der StZ-Redakteur Christopher Ziedler.

Brüssel - Quasi aus dem Nichts haben die Eurokrisenmanager ein gewaltiges Chaos produziert. Die Lage hatte sich beruhigt – auch wenn dies weniger ihrem Tun und mehr der Euro-Ewigkeitsgarantie der Europäischen Zentralbank zu verdanken war. In dieser Situation führte eine krasse Fehleinschätzung zurück in den Krisenmodus. Eine Zwangsabgabe für alle Sparer in Zypern als kleineres Übel gegenüber einer Staatspleite anzupreisen und die psychologischen Effekte nicht mit einzukalkulieren war mehr als kurzsichtig. Es zeugte von Realitätsverlust. Binnen einer Woche stand ein Land davor, die Eurozone verlassen zu müssen.

 

Der Fehler ist im zweiten Anlauf korrigiert worden – und dies auf eine Weise, die marktwirtschaftlichen Prinzipien bei der Krisenbewältigung wieder mehr Geltung verschafft. Es ist gut, dass eine bankrotte Bank geschlossen und nicht vom Steuerzahler gerettet wird. Die Anleger haben jahrelang von extrem attraktiven Konditionen profitiert und zahlen nun den Preis für das erhöhte Risiko. Ob sich aus dem kleinen Spezialfall Zypern allerdings eine Regel für die Zukunft ableiten lässt, darf bezweifelt werden. Die Haftbarkeit wird erst wirklich wieder hergestellt sein, wenn in Europa ein von den Instituten selbst gefüllter Abwicklungstopf zur Verfügung steht. Bis dahin können die Banker, gerade in großen Eurostaaten, immer wieder die Karte der vermeintlichen Systemrelevanz zücken.

Die sozialen Konsequenzen werden hart sein

Tatsächlich gehen die europäischen Partner nun vergleichsweise nonchalant über die ökonomischen Folgen für die Insel hinweg. Stünde Zypern für mehr als gerade einmal 0,2 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung, könnte man es sich kaum leisten, die an der Pleitebank hängenden Unternehmen und Rentenkassen ebenfalls insolvent gehen zu lassen. Es wäre das Mindeste gewesen, solche Guthaben davor zu bewahren ausgelöscht zu werden. Die sozialen Konsequenzen werden hart sein.

Die Konsequenz, mit der nun russische Vermögen vernichtet werden, erstaunt ebenfalls. Beim Schwarzgeld, das auf Zypern lagert, mag Moskau sogar noch ein Interesse daran haben, dass es eingezogen wird – bei Tochterunternehmen russischer Staatskonzerne gilt das mit großer Sicherheit nicht. Russland hat die Kreditkonditionen für Zypern nun zwar erleichtert, aber dies geschah im Eigeninteresse und sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass den Europäern nun Sanktionen für ihre Prinzipienfestigkeit blühen. Diesen Ärger nimmt man aber abwägend in Kauf. Im Wahljahr sind gerade der Bundesregierung die Beziehungen zum eigenen Steuerzahler deutlich wichtiger als die zum Kreml.

Viel Kraft und Aufwand für ein kleines Problem

Handlungsfähigkeit und Flexibilität demonstrieren zwei entgegengesetzte Grundsatzeinigungen in einer Woche ohnehin. Die zusätzlichen Zweifel, die das Zypernpaket nährt, resultieren eher daraus, dass viel Kraft und Aufwand nötig waren, um ein vergleichsweise kleines Problem zu lösen. Doch was passierte, würde demnächst der Fall Italien aufgerufen?

Die Stimmung unter den Eurorettern ist schlechter, die Zerstrittenheit größer denn je. Öffentlich schlecht über andere Länder zu reden ist der bedauerliche Normalfall geworden. Auch Internationalem Währungsfonds und EU-Kommission gelingt es kaum noch, die Meinungsverschiedenheiten zu verbergen. Die Troika spricht inzwischen mit gespaltener Zunge. Entsprechend leitet nicht die Einsicht in die Notwendigkeit von Reformen das Handeln. Im Falle Zyperns war es schlicht Erpressung vom dritten Akteur im Bunde. Die Europäische Zentralbank entwickelt sich zu einer Instanz, die mit einem Mandat zur Sicherung der Preisstabilität große Politik macht. Erst das Frankfurter Ultimatum, Nikosia den Geldhahn zuzudrehen, bewirkte dort den Sinneswandel. Der europäischen Politik fehlt die Kraft dazu.