Die Staatsanwaltschaft sollte es sich im Ermittlungsverfahren gegen einen Auschwitz-Wachmann Johann Breyer nicht zur Aufgabe machen, die Geschichte neu aufzurollen, kommentiert der StZ-Autor Tim Höhn.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Eine Staatsanwaltschaft darf erst Anklage erheben, wenn ein hinreichender Tatverdacht vorliegt. Das ist wichtig, schließlich will der Rechtsstaat möglichst ausschließen, dass Unschuldige vor Gericht gezerrt werden. Insofern ist nicht zu beanstanden, dass die Weidener Staatsanwaltschaft die Vorwürfe gegen Johann Breyer intensiv prüft. Aber wann ist ein Tatverdacht hinreichend? Von welchem Punkt an wird aus einer intensiven Ermittlung eine Zumutung für die Opfer?

 

Diese Fragen müssen stets aufs Neue beantwortet werden. In diesem Fall darf bezweifelt werden, dass es für den Ausgang eines möglichen Prozesses entscheidend ist, ob Akten im Original oder in Kopie vorliegen. Auch was sich die Ermittler von der Befragung der Nebenkläger erhoffen, bleibt rätselhaft. Der zu erwartende Erkenntnisgewinn tendiert gegen null, weil sich die Opfer verständlicherweise nicht an einen einzelnen Wachmann in einer riesigen Vernichtungsmaschinerie erinnern können. Die Hölle von Auschwitz ist von Historikern hinreichend beleuchtet worden. Eine Staatsanwaltschaft kann es sich nicht zur Aufgabe machen, die Geschichte neu aufzurollen. Und um Breyers Beteiligung an Einzeltaten geht es nicht, sondern um seinen Posten. Arbeitete er im Vernichtungslager, droht ihm eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord.

So einfach ist das seit dem Demjanjuk-Urteil. Seither dürfen Opfer wieder hoffen, dass weitere Täter zur Verantwortung gezogen werden. Ob Breyer dazugehört, entscheidet allein die Justiz. Dass Ermittlungen mit abgearbeitetem Ballast erschwert werden, ist in jedem Fall eine Zumutung.