Ein Einsatz deutscher Soldaten in Mali ist denkbar – aber lediglich mit einer klaren Strategie und in begrenztem Umfang, meint der StZ-Autor Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Bloß nicht wieder in die Isolation geraten – so wie im Frühjahr 2011, als sich Deutschland einer Militärmission des westlichen Bündnisses gegen den libyschen Diktator Gaddafi versagte. Allein mit diesem Trauma erklärt sich die Einmütigkeit, mit der die Regierung einen Bundeswehreinsatz in Mali befürwortet. Deutschland wird noch viele Jahre am Hindukusch gefordert sein. Da heißt es unvermittelt, dass wir unsere Sicherheit jetzt auch in Timbuktu verteidigen sollen. Warum in Mali und nicht zum Beispiel im Jemen? Mit einer berechenbaren Außen- und Sicherheitspolitik hat dies wenig gemein.

 

Demonstrativ hat die Kanzlerin die Teilnahme an einer EU-Mission zugesagt, obwohl die Grundlagen völlig in der Schwebe sind: die tatsächliche Lage vor Ort, das Ziel der Operation, der Kreis der Beteiligten, die Strategie – all dies ist nicht mal ansatzweise geklärt. Zentrales Argument der Regierung ist die Bekämpfung des Terrornetzwerks Al-Kaida. So weckt schon die Wortwahl den Eindruck, als stünde die Neuauflage eines Abenteuers wie in Afghanistan bevor. Dass dies Irritationen und Widerspruch auslöst, ist verständlich.

Neue Basis für die Terroristen

Seit dem Militärputsch im März tut sich im Norden Malis ein Machtvakuum auf. Das Vordringen muslimischer Extremisten gegen die maroden Regierungstruppen lockt immer mehr Dschihadisten an und bietet dem Terror eine neue Basis. Somit besteht in der Tat Handlungsbedarf für die internationale Gemeinschaft. Gefragt sind zunächst jedoch benachbarte Ordnungsmächte wie die Afrikanische Union. Es liegt in ihrem ureigenen Interesse, islamischen Extremismus zurückzudrängen und neues Flüchtlingselend zu verhindern. Generell sollte regionaler Interventionismus künftig Vorrang haben vor weltumspannenden Konfliktlösungen unter Nato-Führung.

Westliche Soldaten haben in Mali nicht das Vertrauen der Konfliktparteien. Möglich, dass sie – wie am Hindukusch – massiven Widerstand erst provozieren. Erneut wäre ein Blutzoll zu befürchten. Die Bilanz europäischer Militärmissionen in Afrika ist  ohnehin durchwachsen. All dies sind schlechte Voraussetzungen, um Bodentruppen zu entsenden. Die bewaffnete Unterstützung einer Ausbildungsmission durch eine begrenzte Anzahl deutscher Soldaten sollte dennoch möglich sein.

Schon vor gut einem Jahr hat Verteidigungsminister de Maizière im Zuge der Bundeswehrreform einer neuen Doktrin den Boden bereitet. Demnach werde sich Deutschland vermehrt einmischen, um seiner wachsenden Führungsverantwortung gerecht zu werden. Die Vereinten Nationen würden deutsche Soldaten künftig häufiger anfordern, selbst wenn keine unmittelbare Bedrohung vorliege, prophezeite er.

De Maizières neue Doktrin

Mit Blick auf den freien Welthandel hatte sich ein Jahr davor bereits der damalige Bundespräsident Horst Köhler für ein verstärktes Engagement rund um den Globus ausgesprochen. Prompt folgte der Vorwurf der Kanonenbootpolitik, woraufhin Köhler zurücktrat. Heute wirkt eine solche Kritik heuchlerisch, weil immer deutlicher wird, dass die führenden Industrienationen für globale Stabilität sorgen müssen. Wohlstand verpflichtet, und Bündnissolidarität verpflichtet in einem gewissen Maße auch – sofern es sich nicht um eine reine Goodwill-Aktion der Kanzlerin gegenüber Frankreichs Staatspräsidenten handelt.

Die Verantwortung sollte daher nur mit einem klar definierten, begrenzten Mandat wahrgenommen werden. Andernfalls hätte die Politik aus Afghanistan wenig gelernt. Deutsche Soldaten sind an diversen Punkten der Erde tätig, ohne dass dies ein Aufreger wäre – auch vor Somalia, im Kongo und im Libanon. Somit können sie ihre Fähigkeiten ebenso in Mali einbringen. Solange die Bundeswehr nicht wieder auf eine Reise mit unkalkulierbarem Ausgang geschickt wird, darf Deutschland seine neu gewonnene Souveränität unter Beweis stellen.