Militäreinsätze, Energiewende: auf vielen Feldern wollen Deutschland und Frankreich enger kooperieren. Was davon aber wirklich beim Bürger ankommt, muss sich noch weisen, meint StZ-Redakteur Axel Veiel.

Paris - An diesem Mittwoch ist Bescherung. Dann werden Deutschlands und Frankreichs Regierung in Paris zusammenkommen und enthüllen, was sie künftig alles gemeinsam auf die Beine stellen wollen. Die Erwartungen an Bundeskanzlerin, Staatschef und fast 60 Minister beider Länder sind enorm. Der Wunschzettel ist lang. Beide Seiten haben ihn reich bestückt.

 

Frankreichs Präsident François Hollande hat die Gründung eines deutsch-französischen Großunternehmens angeregt, das die Energiewende fördern solle. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat den Franzosen Militärhilfe in Mali in Aussicht gestellt. Was Paris so oft vergeblich angemahnt hat, eine Deutschlands weltwirtschaftlicher Bedeutung entsprechende Ausweitung militärischer Kriseninterventionen, scheint auf einmal möglich. Bundeskanzlerin Angela Merkel wiederum hofft die Franzosen für die Idee eines Google-ähnlichen europäischen Kommunikationsnetzwerks zu gewinnen, das amerikanischen Lauschangriffen widersteht. Womöglich erhört die Deutsche im Gegenzug den alten französischen Ruf nach einer Wirtschaftsregierung für den Euroraum mit einem festen Eurogruppen-Präsidenten an der Spitze.

Ganz gleich, wie üppig die Bescherung letztlich ausfällt: schon die Vorbereitung der Zusammenkunft zeugt von neuem Elan in den deutsch-französischen Beziehungen. Der Fortschritt beeindruckt umso mehr, als Merkel und Hollande zuvor nicht eben gedeihlich zusammengearbeitet haben: hier die christdemokratische Deutsche, die sich als Sparkanzlerin hervortat, dort der ausgabefreudige Sozialist, der mit europäischem Geld die strukturschwache französische Wirtschaft aufpäppeln wollte. Das brachte zähes Ringen und halbherzige Kompromisse hervor, aber keine Bewegung oder gar Dynamik.

Das Ergebnis ist neue Nähe

Unter dem Druck des Koalitionspartners hat die Kanzlerin freilich sozialdemokratische Neigungen an den Tag gelegt und etwa den Frankreichs Sozialisten so kostbaren Mindestlohn eingeführt. Der Pariser Staatschef wiederum hat dem Druck der tristen wirtschaftlichen Realitäten Tribut gezollt und einen unternehmerfreundlichen Reform- und Sparkurs ausgerufen.

Das Ergebnis ist neue Nähe.  Was nicht heißt, dass nun alles Wirklichkeit würde, was auf dem Wunschzettel steht. Als sicher gilt, dass die Deutsch-Französische Brigade in Mali zum Einsatz kommt. Ein gemeinsamer Verband soll unter französischem Oberbefehl im Rahmen der europäischen Militärhilfe Malis Hauptstadt Bamako sichern und bei der Ausbildung malischer Soldaten helfen. Als sicher gilt aber auch, dass aus dem von Hollande propagierten gemeinsamen Energieunternehmen nichts wird. Mehr Zusammenarbeit beim Ausbau der Stromnetze oder bei der Entwicklung von Elektroautos mag es geben. Doch ansonsten werden die auf Atomkraft setzenden Franzosen und die grünen Deutschen wohl getrennte Wege gehen. Anderes, wie etwa die Anregung der Kanzlerin, ein europäisches Kommunikationsnetzwerk zu schaffen, dürfte auf der langen Liste des nur vage Anvisierten landen.

So erfreulich es ist, dass auf dem Nährboden deutsch-französischer Freundschaft wieder Fortschritte möglich sind:  entscheidend wird sein, ob sie tatsächlich kommen. Der Bürger dürfte sich mit Freundschaftssymbolik allein jedenfalls nicht begnügen. In Frankreich, wo Hollande die Arbeitslosigkeit nicht eingedämmt hat, wo der von der EU erhoffte Investitions- und Wachstumsschub ausgeblieben ist,  droht der europafeindliche Front National bei den Europawahlen stärkste Kraft zu werden. So schön es ist, dass Steinmeier und sein französischer Kollege Laurent Fabius gemeinsam in den Europawahlkampf ziehen wollen: das Duo sollte nicht mit leeren Händen antreten.