Der Alptraum des Krieges im Gazastreifen ist zumindest vorerst vorbei. Der Waffenstillstand zwischen Israel und den Palästinensern hält. Jetzt muss die Zeit für eine politische Lösung genutzt werden, fordert die StZ-Korrespondentin Inge Günther.

Jerusalem - Der Gaza-Krieg ist zu Ende. Der Waffenstillstand, zu dem sich Israel und die palästinensische Hamas   durchgerungen haben, hat gute Chancen zu halten – zumindest vorerst. Ob er sich als unbefristet erweist, wie von den ägyptischen Vermittlern angekündigt, ist offen. Nach fünfzig blutigen Kampftagen haben die Konfliktparteien einer vagen Vereinbarung zugestimmt, die sie schon vor einem Monat hätten haben können. Aber erst zum bitteren Schluss haben sie begriffen, dass jede weitere Verlängerung sie noch teurer zu stehen kommen würde.

 

Das gilt vor allem für die palästinensischen Radikalislamisten, die zuletzt immer kopfloser reagierten, während sich ihre Raketenarsenale genauso erschöpften wie ihre Durchhalteparolen. Die Bevölkerung in Gaza konnte einfach nicht mehr, was sich auch in wachsendem Unmut gegenüber der Hamas bemerkbar machte. Deren inszenierte Jubelfeiern, um die Waffenruhe als Sieg des Widerstandes zu verkünden, wirkten hohl und aufgesetzt. Zumal von einem Ende der Gaza-Blockade noch keine Rede sein kann. Ägypten und Israel haben lediglich zugesagt, alle Grenzübergänge für humanitäre Lieferungen und Wiederaufbauhilfen zu öffnen. Dennoch überwiegt bei den Palästinensern die Erleichterung, dass der Albtraum erst einmal vorbei ist.

Kein Sieg für die Supermacht Israel

Ein ähnliches Gefühl teilen viele Israelis, die in den vergangenen Wochen fast täglich einen Luftalarm erlebten. Auch wenn die Mehrheit unter ihnen unzufrieden mit dem Ergebnis dieser dritten und brutalsten Runde im Gaza-Konflikt binnen fünf Jahren ist. Sie hätte lieber eine völlige Zerschlagung der Hamas gesehen und die Demilitarisierung des Gazastreifens, die manche Regierungsmitglieder propagiert hatten. Dass die militärische Supermacht Israel sich damit zufrieden geben musste, das Tunnelsystem der Hamas weithin zerstört und ihr Waffenarsenal dezimiert zu haben, lässt sich nicht als großer Sieg verkaufen.

Im Vergleichs der Todesopfer machen die 64 Soldaten und sechs Zivilisten, die Israel zu beklagen hat, zwar nur drei Prozent von den mehr als 2100 Palästinensern aus, die in Gaza ums Leben kamen. Dennoch ist dieser Krieg in einem merkwürdigen Unentschieden geendet. Umso wichtiger ist, dass der zugrunde liegende Konflikt politisch gelöst wird. Die nächsten vier Wochen, in denen im großen Umfang Güter nach Gaza geschafft werden sollen, um die dortige katastrophale Lage zu lindern, sind zugleich eine Art vertrauensbildender Prozess. Er muss die Voraussetzung schaffen, damit die eigentlichen Verhandlungen Ende September über einen Seehafen sowie Handels- und Reisefreiheit wenigstens eine geringe Erfolgsaussicht haben.

Netanjahu hält Abbas wieder für einen Partner

Die Zweifel sind groß. Aber die Skeptiker, die behaupten, die Waffenstillstandsvereinbarung bedeute nichts mehr als eine Rückkehr zu den Verhältnissen vor Kriegsausbruch, übersehen eines: die zentrale Rolle des moderaten Palästinenser-Präsidenten Mahmud Abbas bei dem Durchbruch in Kairo.   Nicht nur die Ägypter und die internationale Gemeinschaft bauen auf ihn, um Gaza bessere Lebensperspektiven zu bieten. Auch Israels Premier Benjamin Netanjahu hält ihn wieder für einen Partner. Noch im Frühsommer hatte Netanjahu die von Abbas eingesetzte   palästinensische Einheitsregierung vehement attackiert. Inzwischen scheint er sich damit abgefunden zu haben, dass Hamas und Islamischer Dschihad zum politischen Spektrum der Palästinenser gehören.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat das Vordringliche auf eine knappe Formel gebracht: Gaza braucht eine legitime Regierung, die Blockade muss enden und Israels Sicherheitsbedürfnissen muss Rechnung getragen werden. Ohne internationalen Beistand kann das nicht gelingen und auch nicht ohne eine diplomatische Initiative, um die Waffenruhe zu flankieren. Ein klarer Fall für den UN-Sicherheitsrat.