Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zu den Morden der rechtsextremen Terrorzelle NSU liest sich wie ein Report des Versagens. Doch er könnte dem Rechtsstaat neues Vertrauen verschaffen, meint der Berliner Büroleiter der StZ, Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Die grauenhafte Geschichte des Nationalsozialistischen Untergrunds ist noch nicht zu Ende geschrieben. Es bleibt ungewiss, ob sich die Verbrechen der braunen Bande jemals restlos aufklären lassen. Damit hat der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München gewiss noch lange zu schaffen. Am Ende des spektakulären Prozesses gegen Beate Zschäpe und deren Komplizen werden mutmaßlich viele quälende Fragen offen bleiben. Der Untersuchungsausschuss des Bundestags hat dagegen auf parlamentarischer Ebene einen unschätzbaren Beitrag zur Aufklärung geleistet. Seine Aufgabe war es nicht, Schuldfragen im strafrechtlichen Sinne nachzuspüren, sondern politische Verantwortlichkeiten offenzulegen und Schwachstellen der Behörden auszuleuchten. Was er dabei erreicht hat, ist eine parlamentarische Erfolgsgeschichte.

 

Der jetzt veröffentlichte Abschlussbericht liest sich wie ein Report des Versagens. Das Kürzel NSU steht für eine fatale Unfähigkeit des deutschen Sicherheitsapparats. Alle zuständigen Instanzen waren blind für das Phänomen eines rassistisch inspirierten Terrorismus. So wie sie Jahre zuvor blind gewesen waren für die Umtriebe von Al-Kaida & Co. Der Umstand, dass drei Neonazis jahrelang morden und dabei unentdeckt bleiben konnten, ist eine Schmach für Polizei, Verfassungsschutz und Justiz – eine Schande für ganz Deutschland. Diese Verbrechen haben das Vertrauen in den Rechtsstaat erschüttert. Der Vertrauensschaden wird womöglich auch durch ein Urteil im Strafprozess nicht zu reparieren sein. Man darf sich von diesem Urteil jedenfalls nicht zu viel erwarten.

Der jetzt veröffentlichte Abschlussbericht liest sich wie ein Report des Versagens. Das Kürzel NSU steht für eine fatale Unfähigkeit des deutschen Sicherheitsapparats. Alle zuständigen Instanzen waren blind für das Phänomen eines rassistisch inspirierten Terrorismus. So wie sie Jahre zuvor blind gewesen waren für die Umtriebe von Al Kaida & Co.

Der Rechtsstaat ist im Stande, seine Fehler zu erkennen

Der Umstand, dass drei Neonazis jahrelang morden und dabei unentdeckt bleiben konnten, ist eine Schmach für Polizei, Verfassungsschutz und Justiz – eine Schande für ganz Deutschland. Diese Verbrechen haben das Vertrauen in den Rechtsstaat erschüttert. Der Vertrauensschaden wird womöglich auch durch ein Urteil im Strafprozess nicht zu reparieren sein. Man darf sich von diesem Urteil jedenfalls nicht zu viel erwarten.

Die Arbeit des Untersuchungsausschusses zeigt jedoch, dass der Rechtsstaat im Stande ist, seine Fehler zu erkennen, sie zu ergründen, Ursachen aufzudecken – vielleicht sogar, aus ihnen zu lernen. So könnte neues Vertrauen entstehen. 1400 Seiten Bilanz können die Bluttaten nicht ungeschehen zu machen. Doch sie könnten eine Blaupause sein für einen Umbau der Sicherheitsarchitektur, damit sich solche unsäglichen Verbrechen nicht wiederholen. Der Ausschuss hat dafür wertvolle Vorarbeit erbracht. Nun kommt es darauf an, dass seine Vorschläge nicht einfach im Archiv des Bundestags verschwinden.

Ein systemisches Versagen

Das Fazit der Aufklärer ist nicht auf einen Punkt zu bringen. Sie haben nicht den einen Fehler entdeckt, der erklären würde, warum die Ermittlungen jahrelang in die Irre führten und die Fahndung auf verheerende Weise erfolglos blieb. Den Sicherheitsbehörden ist nicht ein fataler Kardinalfehler anzulasten, sondern eine blamable Vielzahl von Fehlern, Pannen und Schwächen. Es handelt sich dabei um Fehler individueller und Schwächen struktureller Art, gewissermaßen um ein systemisches Versagen – und dies auf allen Ebenen. Die NSU-Affäre offenbart, dass die deutsche Sicherheitsarchitektur zu viele Mauern und zu wenig Fenster, zu wenig Treppen und zu wenig Durchlässe hat. Der monströse Fall zeigte, dass bisweilen mehr Konkurrenz als Kooperation herrscht. Nur ein Trost bleibt: Es ließ sich auch kein einziger Hinweis auf eine Kumpanei zwischen Behörden und der rechtsextremistischen Szene finden, der einschlägige Verschwörungstheorien bestätigt hätte.

Es bleibt viel zu tun. Die Vorschläge des Untersuchungsausschusses machen deutlich, wo Polizei und Verfassungsschutz ihre Schwachstellen haben. Mit der Neonazidatei und dem Abwehrzentrum gegen rechte Gewalt wurden Institutionen geschaffen, die terroristische Machenschaften nach dem Muster des NSU erschweren dürften. Die Reform des Verfassungsschutzes steckt aber noch in den Anfängen. Föderale Zuständigkeiten und die Eigenmächtigkeit der Länder erweisen sich hier als Hemmnisse. Es wird auch nicht genügen, Gesetze zu ändern. In den Behörden bedarf es eines Mentalitätswandels.