Wie modern kann eine Monarchie sein? Prinz Harry und Herzogin Meghan haben mit dem Schritt, sich künftig aus den royalen Geschäften zurückzuziehen, gezeigt, wie es geht. Selbstbestimmung und Unabhängigkeit sollten auch Adelige ausleben dürfen.

London - Der Schritt von Prinz Harry und Herzogin Meghan, sich aus der ersten Reihe der Royals zurückzuziehen, kommt nicht überraschend. Spätestens seit der viel diskutierten TV-Doku vom Oktober vergangenen Jahres, als das Paar auf einer Reise durch Südafrika offen über ihre Schwierigkeiten mit ihrer Rolle in der Öffentlichkeit sprach, wurde über einen solchen Rückzug spekuliert. „Es ist nicht genug, etwas zu überleben, darum geht es doch nicht im Leben. Du musst aufblühen, dich glücklich fühlen“, hatte Meghan dem TV-Reporter gestanden. Sehr unglücklich klang das und so sah sie dabei auch aus. Wobei man nicht umhin kommt, sich darüber zu wundern, dass die ehemalige Schauspielern offenbar so gar kein Einschätzungsvermögen hatte, was auf sie an der Seite eines Royals zukommen würde. Dass sie als Amerikanerin keine Ahnung von der Alltagskultur der Monarchie hat, kann man ihr nicht übel nehmen. Sich im Vorfeld nicht damit zu befassen und gute Ratschläge zu ignorieren, schon.

 

Das Paar will den Boulevardzeitungen keinen Stoff mehr liefern

Meghan wird vermutlich den entscheidenden Impuls für den Rückzug gegeben haben, den Prinz Harry sich zwar gewünscht, aber ohne sie womöglich nicht gewagt hätte. Seit einiger Zeit hadert er mit seiner Rolle und dem Leben in der Öffentlichkeit. Der Tod seiner Mutter verfolgt ihn stärker als es ihm lieb sein kann. „Der Tod der Mutter und überhaupt der Stress meines Lebens ist für mich eine Frage der täglichen Bewältigung – des dauernden Managements“, hatte er in der TV-Doku gesagt. Seine Überzeugung, dass Prinzessin Diana von Paparazzi in den Tod getrieben wurde, hat sich im Lauf der Jahre verfestigt. Harry und Meghan wollen den Boulevardzeitungen, die sich in Großbritannien mit unvergleichlichem Zynismus gegen ausgewählte Royals einschießen, keinen weiteren Stoff mehr liefern.

Der Vergleich mit König Eduard VIII. ist weit hergeholt

Alles menschlich sehr nachvollziehbar, wenn auch ein gewagter Schritt, der das britische Königshaus gewaltig aufrüttelt. Schließlich müssen Harry und Meghan, die ihren karitativen Tätigkeiten weiterhin nachgehen und Queen Elizabeth II. nach eigenen Worten auch künftig unterstützen wollen, ihre neue Rolle erst finden – auch finanziell. Den Schritt mit der Abdankung König Eduards VIII. im Jahr 1936 zu vergleichen, der aus Liebe zu der geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson sein Amt niederlegte und damit einen Keil in die Königsfamilie trieb, liegt zwar nahe, ist aber weit hergeholt – schließlich ist Prinz Harry nicht der künftige König, sondern steht auf Platz sechs in der Thronfolge. Und ob das Interesse der Medien nach der Flucht in die Teilzeit-Privatsphäre nachlassen wird, darf man anzweifeln. Nichtsdestotrotz ist es ein mutiger Schritt, der zeigt, dass Selbstbestimmung und Modernität mehr denn je im bedeutendsten europäischen Königshaus angekommen ist. Und ein kleiner Revoluzzer schlummerte ja schon immer in Prinz Harry, dem „Schwarzen Schaf“ der Königsfamilie.