Das Landgericht Stuttgart hat entschieden: der SWR darf Bilder von einer Undercover-Reportage im Daimler-Leiharbeitermilieu weiterhin zeigen. StZ-Redakteur Andreas Müller lobt das Urteil zugunsten der Grundfreiheit.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Warum tut Daimler sich das eigentlich an? Schon bisher hat sich der Autokonzern mit der Klage gegen den Südwestrundfunk (SWR) keinen Gefallen erwiesen. Durch den Prozess wird das Interesse an einem anderthalb Jahre zurückliegenden Fernsehbeitrag wachgehalten, über den andernfalls kaum noch jemand geredet hätte. Dabei wollte der SWR die teilweise überholte Sendung ohnehin nicht mehr zeigen.

 

Nach der herben Niederlage vor dem Landgericht Stuttgart hätte der Konzern eigentlich noch mehr Anlass, den Rechtsstreit zu beenden. Die Undercover-Reportage aus dem Werk Untertürkheim ist zwar rechtswidrig zustande gekommen, doch die darin geschilderten Missstände bei der Leiharbeit rechtfertigten die Ausstrahlung der Aufnahmen – deutlicher hätte das Urteil kaum ausfallen können. Heimlich entstandene Bilder zu zeigen ist auch dann erlaubt, wenn sie keine rechtswidrigen Zustände dokumentieren, konstatierte das Gericht und entschied damit erfreulich klar zugunsten der Rundfunkfreiheit.

Das hätte bei Daimler zumindest ein gewisses Nachdenken auslösen können. Wer sich gegen Transparenz wehrt, hat nicht unbedingt die Sympathien auf seiner Seite. Doch der Konzern kündigte umgehend an, in die nächste Instanz zu gehen. Was bisher nur vermutet werden konnte, sprach ein Konzernvertreter nach dem Urteil offen aus: Daimler prozessiert nicht nur für sich, sondern für die deutsche Industrie. Auch andere Unternehmen sollen nicht befürchten müssen, heimlich ausgeforscht zu werden. Da gehe es um Grundsätzliches.

Der zuweilen als arg brav gescholtene SWR kann sich hingegen ermutigt fühlen, öfter genauer hinzuschauen. Was der Sender sich an Ärger mit Daimler eingehandelt hat, wird durch die breite positive Resonanz auf den Beitrag mehr als aufgewogen.