Der Verband Region Stuttgart erhält einen neuen Direktor – doch das Gremium braucht noch weitaus mehr. Momentan hat der Verband keine echte Perspektive, kritisiert der StZ-Redakteur Achim Wörner, er muss sich völlig neu positionieren.

Regio Desk: Achim Wörner (wö)

Stuttgart - Am Mittwoch, 4. Dezember, wird die Regionalversammlung, die alle fünf Jahre direkt vom Volk gewählt wird, seit längerer Zeit mal wieder eine Sternstunde haben. Der millionenschwere Etat des für die S-Bahn im Ballungsraum am Neckar verantwortlichen Verbands Region Stuttgart ist zu beschließen. Zugleich muss das Gremium einen neuen hauptamtlichen Regionaldirektor benennen, nachdem die Stelle des Verwaltungschefs seit nunmehr zwei Jahren vakant ist.

 

Mit Matthias Wittlinger, dem Bürgermeister der 14000-Seelen Gemeinde Uhingen im Kreis Göppingen, und der momentan in Brüssel beschäftigten Europareferentin des Landes, Nicola Schelling, haben es zwei Kandidaten in die Endrunde geschafft, die – ohne ihnen zu nahe treten zu wollen – auf dem Papier nicht zur allerersten Garde zählen. Dass es offenbar an ganz hochkarätigen Bewerbern für den Spitzenposten gemangelt hat, macht das Ansehen deutlich, den der Verband zurzeit genießt: nicht Fisch, nicht Fleisch und ohne echte Perspektive.

Das ist die ernüchternde Erkenntnis nach 20 Jahren Verband samt Parlament. In den zwei Dekaden seit der Gründung 1994 ist es nicht gelungen, sich in den Köpfen der Bürger zu verankern. Die Region ist zwar Lebenswirklichkeit für die meisten Menschen – als Institution ist sie aber weitgehend unbekannt geblieben.

Die Region verzettelt sich im Interessenstreit

Und diese Außendarstellung muss sich der Verband selbst ankreiden, da seit dem Tod des früheren Regionaldirektors Bernd Steinacher vor fünf Jahren ein Vakuum herrschte. Die Wahl von Steinachers Nachfolgerin Jeanette Wopperer erwies sich als Fehlgriff. Erschwerend war auch deren lange Erkrankung – mit der Folge starker Lähmung des Verbandes und der regionalen Idee.

Hinzu kommt, dass sich die Region zuletzt verzettelt hat im Interessenstreit mit Landräten und Rathauschefs um Zuständigkeiten und Kompetenzen. Dies gilt, auch wenn die dahinterstehende Sorge, auf einen reinen Planungsverband ohne echte Gestaltungsmöglichkeit zurückgeworfen zu werden, absolut berechtigt ist. Und so ist die Misere maßgeblich auch der grün-roten Landesregierung anzulasten, die in diesem Punkt mutlos, kraftlos, gar desinteressiert agiert. Vor allem die SPD, die die Bedeutung der Regionen in der Vergangenheit immer stark betonte, aber auch die Grünen waren nicht bereit, Verwaltungsebenen grundsätzlich zu durchleuchten und auch nur die Frage zu stellen, ob eine partielle Neuordnung solcher Apparate nicht nottäte in Zeiten knapper Kassen. Abgesehen von möglicherweise marginalen Korrekturen wurde für ein Weiter-so entschieden.

Integrative Kraft ist notwendig

Dabei hat sich am Befund nichts geändert, dass viele politische Probleme nicht an den Grenzen von Kreisen und Kommunen haltmachen. Der Verkehrsinfarkt beispielsweise wird sich nur mit übergreifenden Ansätzen verhindern lassen. Aber auch Fragen der Wohnungsnot, der Kliniklandschaft, des Flächenmanagements für ansiedlungswillige Unternehmen werden nur unter einem regionalen Blickwinkel befriedigend beantwortet werden können.

Der neue Regionaldirektor, die neue Regionaldirektorin – wer auch immer heute gewählt wird – steht im Verbund mit dem überaus engagierten ehrenamtlichen Regionalpräsidenten Thomas Bopp und den amtierenden, sehr guten Fachdirektoren vor großen Herausforderungen. Der Verband muss sich angesichts zementierter Strukturen neu positionieren und als Stimme wieder bemerkbarer machen, er muss sich den Sachthemen widmen und daran mitwirken, die politischen Kräfte zu bündeln. Region, Landkreise und Kommunen müssen ihre gegenseitigen Animositäten, ihre Eifersüchtelein überwinden. Die Suche nach Gemeinsamkeiten ist für alle politischen Entscheider in der Region das Gebot der Stunde. Auch und gerade deshalb benötigt der neue Regionaldirektor in besonderer Weise integrative Kraft.