Die Abkehr von einer autogerechten Stadt hat längst nicht nur technische Hürden, kommentiert LKZ-Redaktionsleiter Thomas K. Slotwinski.

Panta rhei – alles fließt: Die Feststellung des griechischen Philosophen Heraklit trifft besonders auf die Städte zu, die sich permanent ändern. Waren vor Jahrzehnten breite Straßen und ein reger Verkehr Ausdruck urbaner Stärke, so definiert sich die Qualität mittlerer und großer Städte heute in verkehrsberuhigten Flächen.

 

Ein Trend, der nicht nur auf Zustimmung stößt. Viele Menschen wollen bei Besorgungen nach wie vor am liebsten direkt vor die Theke fahren. Eine Neigung, die sich beispielsweise auf dem Leonberger Samstagsmarkt gut beobachten lässt. Dass der immer noch auf einem hässlichen Parkplatz ist, wird genau damit begründet. Die motorisierten Kunden hätten kurze Wege für einen schnellen Einkauf, die so auf dem Marktplatz in der Altstadt nicht gegeben wären.

Markt als sinnlicher Wohlfühlort

Dass heute ein Markt viel mehr ist als ein großer Freiluft-Laden, sondern ein Wohlfühlort, auf dem naturnahe Produkte sinnlich erlebt werden können, wird dabei völlig ausgeblendet. Die meisten Händler haben Jahrzehnte mit einer autoaffinen Kundschaft gute Geschäfte gemacht und sehen nicht ein, warum sich das ändern sollte.

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Ein ähnliches Phänomen ist in der Leonberger Altstadt festzustellen. Auch dort würden viele am besten direkt vorm Straßencafé oder am Laden parken. Dass die Wege aus dem unterirdischen Parkhaus mit äußerst attraktiven Preisen nicht wirklich weiter sind, wird schlicht ignoriert. Und der Handel ist, ähnlich wie die Marktbeschicker, von der Perspektive eines gänzlich autofreien Marktplatzes nicht eben begeistert.

Verkehrsversuch beginnt bald

Andere – auch kleinere – Städte haben solche Diskussionen schon hinter sich, mit dem Ergebnis, dass eine Verkehrsberuhigung die Qualität eines Zentrums deutlich erhöht. In Leonberg freilich gibt es kein kompaktes Zentrum. Die Pole Altstadt und Neuköllner Platz sind durch die viel befahrene Eltinger Straße miteinander verbunden, die mehr Trennendes als Verbindendes hat.

Ob dieser Zustand mit einer Verengung für den Autoverkehr verbessert werden kann, bleibt abzuwarten. Ende April soll ein halbjähriger Test beginnen, bei dem für die Autos statt bisher vier nur noch zwei Spuren bleiben. Die jeweils äußeren Bahnen sind dann Rädern und Bussen vorbehalten.

Leonberg hat keinen Nahverkehr wie Ulm

Schon jetzt gibt es große Befürchtungen, die Autos würden sich durch die kleinen Seitenstraßen in ruhigen Wohngebieten drängen. Angesichts der bisherigen Erfahrungen und dem Umstand, dass Leonberg eben kein Nahverkehrsnetz wie Ulm oder Karlsruhe hat, ist es nicht unwahrscheinlich, dass es so kommt. Dann freilich wäre nichts gewonnen.