Deutschland sollte sich mehr einbringen und mehr Verantwortung übernehmen, um die Probleme dieser Welt zu lösten. Dabei zählen künftig vor allem die Taten, meint StZ-Redakteur Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Das muss man der Bundesregierung lassen: Geschickt hat sie die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik binnen nur einer Woche neu justiert. Die Interviews der Verteidigungsministerin und des Außenministers, die Bundestagsreden, dann die Auftritte bei der Münchner Sicherheitskonferenz – das war gut inszeniert und orchestriert. Bundespräsident Joachim Gauck hielt seine erste Ruck-Rede, wenn man so will. Sie wird nachhallen.

 

Deutschland soll mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. An der Stelle traut sich die große Koalition mal etwas – sofern sie auf diesem Weg voranschreitet. Der Paradigmenwechsel ist eine Abkehr von der Politik der schwarz-gelben Koalition. Jahrelang hatte der frühere Außenminister Guido Westerwelle Zurückhaltung angemahnt. Die Kanzlerin stützte ihn mit ihrer Devise der Ertüchtigung. Dies bedeutet: Wer will, wird aufgerüstet, soll aber mit seinen Problemen selbst klarkommen.

Der Kurs der Kanzlerin wird korrigiert

Nun wirkt Merkels Linie überholt. Offen ist, wie sie die Dinge heute sieht. Ein globales sicherheitspolitisches Engagement ist im Wahlvolk unbeliebt, also taktiert die Kanzlerin. Doch das Zaudern ist unangemessen. Oft war die Weltgemeinschaft nur Zaungast bei abscheulichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Auf dem Balkan, in Ruanda oder in Syrien – überall hätten Zigtausende von Opfern mit entschlossenem Handeln verhindert werden können. Wenn sich die zivilisierte Welt abkehrt, macht sie sich mitschuldig.

Zurecht weist der Bundespräsident darauf hin, dass sich Deutschland nicht ewig hinter seiner historischen Schuld verstecken darf. Auch mit diesem Gepäck besteht Grund, selbstbewusst voranzugehen: mit diplomatischen Initiativen, beim Schmieden von Allianzen und, wenn nichts anderes hilft, im gemeinsamen militärischen Einsatz. Als Wirtschaftsmacht ist Deutschland der Motor Europas – es wirkt nicht mehr glaubwürdig, in der Außen- und Sicherheitspolitik diese Funktion von sich zu weisen. Viele Staaten warten darauf, dass Berlin sich federführend einmischt, wie zuletzt der UN-Generalsekretär bestätigt hat.

Die EU muss das Vakuum füllen

Die USA, die Briten und Franzosen wollen nicht mehr die Hauptverantwortung allein tragen. Zu groß ist vor allem der ökonomische Druck. Erstmals wird der US-Verteidigungsetat gedeckelt – der amerikanische Einfluss geht generell zurück. Also muss die Europäische Union mit Deutschland an der Spitze für Entlastung sorgen, auch um ein sicherheitspolitisches Vakuum zu verhindern. Es ist notwendig mitzureden und mitzugestalten, sonst kommt der Extremismus immer näher. Oft genug mangelt es an verlässlichen Moderatoren.

Höchste Zeit auch, dass ein Ruck durch die EU geht. Seit Jahren wird über mehr Gemeinsamkeiten geredet – oft umschrieben mit „Pooling“ und „Sharing“. Das heißt: Zusammenarbeit einerseits und Spezialisierung andererseits sollen helfen, die knapper werdenden militärischen Ressourcen effektiv einzusetzen. Die Fortschritte sind dürftig. Jedem Staat seine eigene Armee – das ist ein europäischer Anachronismus. Die Furcht vor der Aufgabe nationaler Souveränität führt in die falsche Richtung. An keiner Stelle ist eine Kooperation der Europäer so sinnvoll wie bei der Verteidigung. Sie verspricht milliardenschwere Synergieeffekte. Aber mehr noch zählt die Idee des Zusammenwachsens in einem hochsensiblen Bereich.

Die Bundesregierung muss die Egoismen überwinden helfen. Man darf aber gespannt sein, welche Bestandteile die Bundeswehr dann aufzugeben bereit ist und worauf sie sich konzentrieren will. Da hat die neue Verteidigungsministerin viel zu tun. Bezüglich der Auslandseinsätze steht schon bald ein Realitätstest an: Deutschland will die Franzosen in Afrika unterstützen – mit ein bisschen Luftunterstützung? Von nun an werden die Verbündeten die Regierung an ihrem Handeln messen.