Dass im Gerber, wie von OB Kuhn gemutmaßt, wirklich Mitarbeiter aus dem Einzelhandel wohnen werden, ist angesichts der Quadratmeterpreise von bis zu 17 Euro unwahrscheinlich, kommentiert Holger Gayer.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Es gibt angenehmere Aufgaben für einen prinzipientreuen Menschen, als huldvolle Worte zur Eröffnung eines Einkaufszentrums zu finden, dessen Sinn man in Wahrheit anzweifelt. Gemessen daran hat sich Fritz Kuhn am Montag zunächst ganz wacker geschlagen: In seiner Festrede auf das Gerber ist der grüne Oberbürgermeister zwar bei seiner grundsätzlichen Kritik an derartigen Konsumtempeln geblieben, gleichzeitig aber hat er den Geschäftsleuten viel Erfolg gewünscht.

 

Da sprach der Pragmatiker, der ganz dem alten Motto folgte, dass man umarmen soll, was man nicht verhindern kann. Und diese Haltung ist ja auch richtig: Was wäre Kuhn für ein Oberbürgermeister, wenn er nun, da Hunderte neue Arbeitsplätze geschaffen worden sind und die Kunden in der Stadt weitere Einkaufsmöglichkeiten haben, verkündet hätte, wie schlecht er all das findet?

Merkwürdig aber wird es, wenn der Rathauschef voller Überzeugung erzählt, dass im Gerber bereits in Ansätzen realisiert werde, was er sich auf die Fahne geschrieben hat. Die Nähe von Wohnraum und Arbeitsplatz zum Beispiel. Wenn Kuhn allen Ernstes glaubt, dass die Verkäuferinnen, die von jetzt an im Gerber arbeiten, sich auch eine der Wohnungen leisten können, die im selben Gebäude, aber einige Stockwerke höher bezogen werden, dann sei ihm ein Blick in die Lohntüte dieser Angestellten empfohlen. Danach wird er wissen, dass die meisten von ihnen zu ihrem Arbeitsplatz fahren müssen. Wenn es nach dem OB geht, wird das mit öffentlichen Verkehrsmitteln geschehen. Wenigstens in diesem Punkt kann man sich nur wünschen, dass Kuhn recht behält.