Viele haben Angst vor Krankheitsheitskeimen in ihrer Umgebung. Dabei sind multirestistente Erreger im Krankenhaus und importierte Krankheiten aus wärmeren Regionen weit gefährlicher.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Viele Menschen haben eine fast schon panische Angst vor Krankheitskeimen. Sie desinfizieren sich regelmäßig die Hände oder wischen Griffe und Flächen mit Desinfektionstüchern ab, bevor sie sie berühren. Auch im Haushalt wird oft mit rabiaten Reinigern gearbeitet, um auch noch das letzte – in den meisten Fällen völlig harmlose – Bakterium zur Strecke zu bringen. Dabei ist so viel Hygiene gar nicht nötig, wie die StZ-Serie zur Keimbelastung in Stuttgart zeigt. Natürlich kann man sich eine Erkältung einfangen, wenn man überall auf schniefende und hustende Menschen trifft. Das ist aber keine Gefahr für Leib und Leben, gegen die man mit der chemischen Keule vorgehen müsste. Normales Händewaschen genügt, um das Infektionsrisiko wirksam zu verringern.

 

Auch wenn sich viele vor Keimen fürchten – in puncto Hygiene haben Deutschland und andere reiche Länder in fast allen Bereichen des Lebens ein bemerkenswert hohes Niveau erreicht. Manche Mediziner sagen sogar: ein zu hohes Niveau. Tatsächlich braucht es für die Entwicklung eines gesunden Immunsystems ein Mindestmaß an Mikroben. Mehrere Studien deuten zudem darauf hin, dass Kinder, die in einer extrem keimarmen Umwelt aufwachsen, häufiger Allergien entwickeln.

Keine Angst vor Keimen im Wasser

Daraus den Schluss zu ziehen, Hygiene sei generell schlecht, wäre allerdings falsch. Dass in den entwickelten Ländern heute nur noch wenige Menschen an Infektionskrankheiten sterben, die früher ganze Landstriche entvölkerten, ist neben dem medizinischen Fortschritt auch der verbesserten Hygiene zu verdanken. Anders als in manchen ärmeren Regionen braucht sich hierzulande etwa niemand vor Krankheitserregern im Trinkwasser zu fürchten. Auch Lebensmittel waren aus mikrobiologischer Sicht wohl noch nie so sicher wie heute.

Die größten Gefahren durch Krankheitskeime drohen heute und in Zukunft an anderer Stelle. So werden Antibiotika nach wie vor oft unnötigerweise oder unüberlegt eingesetzt. Damit steigt das Risiko, dass sich Bakterienstämme entwickeln, gegen die die einstige Wunderwaffe nicht mehr wirkt. Solche multiresistenten Keime verursachen bereits jetzt Tausende von Todesfällen in Krankenhäusern. Dringend geboten ist nicht nur eine deutliche Verringerung der Antibiotika-Gaben in der Tierhaltung. Ebenso wichtig ist ein zielgerichteter Einsatz in der Humanmedizin.

Klimawandel bringt neue Krankheiten

Was Fachleuten zu Recht Sorgen bereitet, ist auch die weiter wachsende Mobilität, die Krankheitskeime in kurzer Zeit an fast jeden Ort der Welt gelangen lässt. Dass ein Killervirus wie Ebola in Europa oder Nordamerika eine Epidemie auslöst, ist zwar angesichts verbesserter Überwachungs- und Melderegeln unwahrscheinlich. Es gilt aber auch, nicht ganz so spektakuläre Krankheiten wie die Tuberkulose im Auge zu behalten, die längst nicht in allen Ländern ausgerottet ist. Klar ist, dass mit dem Klimawandel viele Krankheiten aus wärmeren Regionen auch bei uns häufiger werden. Darauf müssen sich die Behörden und das Gesundheitssystem heute schon vorbereiten.