Die US-Republikaner haben ihren Präsidentschaftskandidaten. Das Rennen um das höchste Amt der USA ist aber noch seltsam offen, kommentiert Andreas Geldner.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Washington - Eigentlich könnte Barack Obama diese Präsidentschaftswahl verloren geben. Wer die objektiven Daten nimmt, die das Ergebnis vergangener US-Wahlen vorausempfinden ließen, sollte keine Wette auf den Amtsinhaber im Weißen Haus abschließen. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, Obamas politische Zustimmungswerte liegen unter 50 Prozent, eine klare Mehrheit der Amerikaner ist mit der Richtung unzufrieden, welche die USA unter seiner Präsidentschaft genommen haben. Doch in den Umfragen liegen Obama und Romney seit Monaten Kopf an Kopf – mit kleinen Vorteilen für den US-Präsidenten. Dass das so ist, hat viel mit der Persönlichkeit des Mannes zu tun, den die Republikaner in dieser Woche in Tampa mit inszeniertem Enthusiasmus aufs Schild gehoben haben.

 

Mitt Romney, der Unvermeidliche, ist bei seinem zweiten Anlauf zur republikanischen Präsidentschaftskandidatur endlich ins Ziel gekommen. Doch auch nach sechs Jahren Dauerlauf Richtung Weißes Haus sind die Amerikaner mit ihm nicht warm geworden. Viele respektieren Mitt Romney als erfolgreichen Geschäftsmann. Aber was seine tiefsten Überzeugungen sind, wissen die Wähler nicht. Zu viele ideologische Wendungen pflastern Romneys Karriere. Als er sich um das Gouverneursamt im liberalen Massachusetts bewarb, stand er in seiner Partei links, sprach sich für die Gleichberechtigung von Homosexuellen und strenge Waffengesetze aus. Er hat in diesem Bundesstaat Barack Obamas Gesundheitsreform fast Kapitel für Kapitel vorweggenommen.

Schwammig in der Außenpolitik

Doch im republikanischen Vorwahlkampf ist er vor dieser Vergangenheit davongelaufen. In der Einwanderungspolitik hat er seine konservativen Rivalen rechts überholt. Harte Töne gegenüber China und lautes Säbelrasseln gegenüber dem Iran werfen für den Rest der Welt die beunruhigende Frage auf, was Romney genau damit meint.

Seine Parteitagsrede blieb aber nicht nur beim Thema Außenpolitik, wo er sich in einem markigen Bekenntnis zu amerikanischer Stärke erschöpfte, schwammig und vage. Genauso schwer zu fassen ist Romneys Managerkarriere. Er hat als Finanzinvestor Unternehmen aufgekauft, radikal umgebaut oder zerschlagen - und dabei viel Geld verdient. Wie viel genau, weiß niemand: Der Multimillionär weigert sich hartnäckig, seine Steuererklärungen zu offenbaren. Für die Mehrheit der Amerikaner ist sein religiöser Hintergrund ein Buch mit sieben Siegeln. In der diskreten Religionsgemeinschaft der Mormonen ist man fleißig, scheffelt die Dollars, tut Gutes - und hält den Mund.

Warum konnte Obama nicht punkten?

Doch angesichts all dieser Schwachstellen kann man die Frage auch anders stellen: Warum konnte Barack Obama trotz Amts-und Sympathiebonus keinen soliden Vorsprung gegen einen angeblich so mediokren Gegner aufbauen? Vielleicht liegt das ja daran, dass viele Amerikaner auch den Mann im Weißen Haus inzwischen für einen mittelmäßigen Politiker halten? Diese Wahl hätte für die Republikaner bei einem charismatischen Kandidaten vielleicht ein Durchmarsch werden können. Doch womöglich passt der Manager Romney besser zum politischen Zeitgeist als es seine Kritiker wahrhaben wollen. Am letzten Abend des republikanischen Parteitages bewarb er sich auf den Präsidentenjob wie auf eine Unternehmensleitung. Doch die Aussicht, dass die USA so kühl und erfolgsorientiert regiert werden könnten, wie Mitt Romney in der Privatwirtschaft und als Sanierer der olympischen Spiele von Salt Lake City agiert hat, wirkt im Heimatland des Kapitalismus nicht unbedingt abschreckend.

Beide Parteien würden diese Wahl gerne zur Schicksalswahl zwischen zwei gegensätzlichen Ideologien stilisieren. Doch die breite Wählerschaft sieht auch zwei nicht gerade berauschende Politiker, zwischen denen sie am Ende pragmatisch entscheiden muss. Beim Vergleich von Grau zu Grau hat weder der Amtsinhaber im Weißen Haus noch Mitt Romneybisher klar die Nase vorn. Barack Obama hat diese Wahl nicht verloren – aber gewonnen hat er sie noch lange nicht.