Die Präsidentenwahl in Mali ist friedlich verlaufen. Die Intervention des Westens gegen den islamistischen Terror hat dem Land die Chance eröffnet, wieder zu genesen – analysiert der StZ-Redakteur Christoph Link.

Stuttgart - Wahlen in Afrika gelten als gefährlich, weil der Unterlegene häufig Unruhen anzettelt und bestrebt ist, das Ergebnis mit dem Mob auf der Straße anzufechten. Beim Ausgang der Präsidentenwahl im westafrikanischen Mali ist das anders. Der Verlierer hat dem Wahlsieger Ibrahim Boubacar Keïta – angeblich einer der reichsten Männer Malis – freundlich gratuliert. Ein Wunder ist das nicht, denn die Wahlen verliefen offenbar fair, die Kandidaten in der Stichwahl gehören zum politischen Establishment der Hauptstadt Bamako, und es eint sie eine dramatische Erfahrung: dass ihr Staat vor einem Jahr beinahe kollabiert wäre angesichts einer Tuareg-Rebellion im Norden, die anschließend von der Machtübernahme islamistischer Gotteskrieger – darunter Fraktionen der Al-Kaida im Maghreb – abgelöst wurde.

 

Die kurze Schreckensherrschaft der Islamisten in Timbuktu, ihre sinnlose Zerstörung von religiösen Stätten des Weltkulturerbes und die Drangsalierung der liberal gesinnten Muslime in Mali machten international Schlagzeilen. Diese „Taliban der Wüste“ drohten später mit ihrem Marsch auf die Hauptstadt einen westlich gesinnten Staat zu übernehmen, hätte Frankreich dem Spuk nicht mit einer Militärintervention, um die eine Übergangsregierung gebeten hatte, ein Ende gesetzt.

Die Sahelzone ist eine No-Go-Zone

Der Wüstenstaat Mali mit seinen nur sieben Millionen Einwohnern müsste uns in Deutschland wenig kümmern, wenn die Zustände dort nicht symptomatisch wären für die Sahelzone. Schwache Staaten mit schlecht gerüsteten Armeen sehen sich einer diffusen Bedrohung durch islamistische Terroristen gegenüber, die durch Kidnapping, Schmuggel und das Durchschleusen von Flüchtlingen ihr Geld verdienen. Einer der führenden Rebellen, auf den die USA jüngst ein hohes Lösegeld aussetzten, obwohl man ihn schon totgesagt hatte, trägt den Namen „Mister Marlboro“. Man müsse sich das als Europäer einmal vorstellen, bemerkte kürzlich ein Politikprofessor in einer Debatte des Senders BBC in Dakar: Die Sahara – ein Gebiet fast von der Größe Europas – sei im Prinzip eine für Europäer und Amerikaner „nicht zugängliche“ Region, eine No-go-Zone.

Der Terror strahlt von dort zudem aus in andere Regionen Afrikas. Da war das Geiseldrama bei Ain Amenas in Algerien, da sind die blutigen Scharmützel der tunesischen Armee mit Salafisten im Chambi-Gebirge, da sind die verheerenden Attentate der islamistischen Sekte Boko Haram in Nigeria sowie der Krieg der Al-Shabab in Somalia gegen die Regierung und die Friedenstruppe der Afrikanischen Union.

Der Westen hat Interesse an den Rohstoffen

Inwieweit diese regionalen Terrornetzwerke zusammenarbeiten ist unbekannt. Tatsache ist, dass sie Staaten ins Wanken bringen und in der Wüste einen Rückzugsort finden. Der britische Premer David Cameron hat die radikalislamistische Bedrohung im Sahel einmal als globale Gefahr bezeichnet, die eine globale Antwort benötige.

Natürlich hat der Westen Interesse an den Rohstoffen im Sahel. Gas, Öl, Uran und Gold gibt es dort reichlich. Wichtiger noch ist die Einsicht in die Notwendigkeit, dass eine Region der Welt nicht in die Gesetzlosigkeit abdriften darf. Der in Mali jetzt angestoßene demokratische Prozess wird abgesichert von einer starken UN-Friedenstruppe, auch unter Beteiligung von Bundeswehrsoldaten. Die gelungene Wahl wird ein Baustein sein in einem Bollwerk gegen den islamistischen Terror. Die Politikerkaste in Mali wird genug zu tun haben, das Land zu befrieden, sich mit den Tuareg zu versöhnen und die Korruption anzugehen. Aber es ist ein gutes Zeichen, dass die sich über Wochen erstreckenden Wahlen in Mali nicht von nennenswerten Terroranschlägen überschattet wurden. Frankreich und in seinem Gefolge die UN haben den Wüsten-Taliban etwas entgegengesetzt. Die Operation ist gelungen, jetzt muss der Patient allerdings genesen.