Für die Deutschen und viele Europäer bedeutet Krise vor allem Inflation. Doch die Politik der EZB befördert vor allem einen Rückgang der Preise. StZ-Kommentatorin Barbara Schäder rät den Eurobankern deshalb zur Zurückhaltung beim Leitzins.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Die Europäische Zentralbank (EZB) verzichtet vorerst auf weitere Geldspritzen. Wenn die Inflationsrate entgegen ihrer Erwartung nicht bald wieder anzieht, will die Notenbank jedoch eingreifen – notfalls auch mit dem Kauf von Staatsanleihen nach amerikanischem Vorbild. Denn eine „anhaltende Phase niedriger Inflation“ birgt nach den Worten von EZB-Präsident Mario Draghi die Gefahr, dass die Eurozone ähnlich wie Japan in eine Deflation abgleiten könnte.

 

Die Teuerungsrate in der Währungsunion ist im März auf durchschnittlich 0,5 Prozent zurückgegangen. In einigen Krisenstaaten sinken die Preise sogar: Nach Griechenland, Zypern und Portugal vermeldete zuletzt auch Spanien einen Preisrückgang gegenüber dem Vorjahr.

Auch wenn sinkende Preise für Verbraucher verlockend klingen – eine Deflation wäre für Europa tatsächlich fatal. Denn wenn die Kosten für Konsumgüter kontinuierlich zurückgehen, kann eine Abwärtsspirale entstehen: Verbraucher und Unternehmen stellen in Erwartung weiterer Preissenkungen größere Anschaffungen zurück, so dass Industrie und Dienstleister ihre Produkte nicht mehr loswerden.

Die Deutschen fürchten die Inflation – zu Unrecht

Zwar hat sich im kollektiven Gedächtnis der Deutschen vor allem die Hyperinflation der frühen zwanziger Jahre eingebrannt. Doch es war eine Deflation, die letztlich die Zahl der Arbeitslosen über die Marke von fünf Millionen trieb und damit zum Aufstieg der Nationalsozialisten beitrug. Denn 1929 ordnete Reichskanzler Heinrich Brüning vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise eine massive Senkung von Löhnen und Preisen an.

Von einer vergleichbaren Entwicklung ist die Eurozone heute allerdings weit entfernt. Von 1929 bis 1933 fielen die Lebenshaltungskosten in Deutschland um mehr als 20 Prozent. Der aktuelle Preisrückgang bei den Euro-Sorgenkindern ist viel geringer. Seine Ursache sind Reformen, die angesichts der Überschuldung von Staaten wie Griechenland unumgänglich waren: Entlassungen und Gehaltskürzungen im aufgeblähten öffentlichen Dienst haben dort den Konsum und damit auch die Preise gedrückt. Doch die jüngsten Konjunkturdaten zeigen, dass die Wirtschaft auch in den Krisenstaaten wieder wächst.

Erste Übertreibungen an den Märkten gibt es schon

Möglich, dass weitere Geldspritzen der EZB die Erholung beschleunigen würden. Doch die Zentralbank, deren Leitzins jetzt schon auf einem Rekordtief von 0,25 Prozent liegt, muss auch wirtschaftsstarke Staaten wie Deutschland im Auge behalten. Zwar haben sich auch hierzulande Warnungen vor einer Inflation infolge der Niedrigzinsen nicht bestätigt, im Gegenteil: Die jährliche Teuerungsrate für Deutschland sank im März auf ein Prozent. Das ist der niedrigste Wert seit August 2011.

Dennoch mehren sich die Anzeichen, dass die Lockerung der Zinsschraube in den vergangenen Jahren bereits zu Übertreibungen in einzelnen Märkten geführt hat. Dazu zählen neben den Immobilienpreisen in deutschen Metropolen auch die Börsen. Viele Aktien sind heute gemessen an der Gewinnentwicklung der dazugehörigen Unternehmen sehr teuer. Selbst Staatsanleihen aus den Krisenländern der Eurozone sind von Ladenhütern wieder zu Bestsellern avanciert.

Solange die Finanzmärkte derart optimistisch sind und die wirtschaftliche Erholung anhält, sollte die EZB ihr Pulver trocken halten. Sie könnte sonst ein gefährliches Strohfeuer entfachen, das auch den Krisenstaaten nichts brächte, denn Hauptgrund für die schleppende Erholung ist nicht etwa ein Mangel an EZB-Geld. Vielmehr blockieren die Probleme von Banken und Unternehmen in Südeuropa weiterhin die Kreditvergabe. Dagegen hilft nur der Abbau von Schulden. In Japan druckt die Notenbank schon seit Jahren Geld, um Inflation und Konjunktur wieder anzukurbeln – bis jetzt mit wenig Erfolg.