Viele Bürger glauben offenbar nicht mehr daran, mit ihrem Votum die Politik beeinflussen zu können. „Die Parteien machen ja eh, was sie wollen“, lautet ein gängiges Vorurteil. Und doch gibt es viele gute Argumente, am 26. Mai zur Wahl zu gehen.

Stuttgart - Am 26. Mai ist Wahltag. Abgestimmt wird über die Zusammensetzung des EU-Parlaments, der Gemeinderäte und Kreistage sowie des Regionalparlaments. Doch die Wahlbeteiligung geht von Jahr zu Jahr zurück. Viele Bürger glauben offenbar nicht mehr daran, mit ihrem Votum die Politik beeinflussen zu können. „Die Parteien machen ja eh, was sie wollen“, lautet ein gängiges Vorurteil. Und doch gibt es viele gute Argumente für den Urnengang.

 

1. Vor Ort mitbestimmen

Bei Kommunal-, Kreistags- oder Regionalwahlen entscheidet der Wähler über das, was vor seiner Haustür und in seinem Umfeld passiert. Er bestimmt mit seiner Stimme jene Vertreter, die das umsetzen sollen, was ihm am Herzen liegt oder ihm notwendig erscheint. Insbesondere bei der Kommunalwahl sind die Kandidaten und Kandidatinnen der Parteien den Wählern oft auch persönlich bekannt und zugleich direkte Ansprechpartner für Fragen, Probleme und Wünsche.

2. Personenbezogene Wahlmöglichkeiten

Eine Besonderheit des baden-württembergischen Kommunalwahlrechts ist das sogenannte Kumulieren und Panaschieren: Der Wähler kann seine Stimmen sowohl auf einzelne Bewerber der von den Parteien erstellten Wahllisten anhäufen als auch auf Bewerber verschiedener Wahllisten verteilen. Anders als etwa bei der Bundestagswahl muss er also nicht einfach eine von der Partei aufgestellte Liste und/oder einen Direktkandidaten wählen, sondern er kann selbst direkt über die Hierarchie in der von ihm bevorzugten Partei oder Wählervereinigung als auch über die generelle Zusammensetzung der Gemeinderatsfraktionen mitbestimmen.

3. Wahlen sind ein Privileg

In Artikel 20 des Grundgesetzes heißt es: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke durch Wahlen und Abstimmungen (...) ausgeübt.“ Anders als in vielen totalitären oder diktatorischen Systemen auf der Welt wird den Wählern damit ein verfassungsmäßiger Rang eingeräumt.

4. Die Freiheit, zu wählen

In Deutschland wird niemand gezwungen, zur Wahl zu gehen, es herrscht Wahlrecht. In Ländern wie Ägypten oder Australien herrscht dagegen Wahlpflicht: Wer nicht zur Urne geht, dem drohen Geld- oder gar Gefängnisstrafen. Eine hohe Wahlbeteiligung stärkt die Demokratie, eine niedrige Wahlbeteiligung dokumentiert politisches Desinteresse.

5. Mitverantwortung übernehmen

Politik entscheidet auf unterschiedlichen Ebenen über wichtige Zukunftsfragen, aber auch darüber, was vor der eigenen Haustür der Bürger passiert. Wer nicht zur Wahl geht, zeigt damit, dass er darauf verzichtet, für diese Entwicklungen eine Mitverantwortung zu übernehmen und mit seiner Stimme das Gemeinwesen aktiv mitzugestalten. Wähler nehmen mit ihrer Stimme aktiven Einfluss auf die Mehrheitsverhältnisse in den Parlamenten und damit auch auf politische Entscheidungen.

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6. Entscheidungen nicht anderen überlassen

Wer seine Stimme nicht abgibt, überlässt die Entscheidung über die Zusammensetzung der politischen Gremien anderen. Seine Stimme ist verloren, sie fällt unter den Tisch. Die zur Wahl stehenden Parteien beklagen zwar pflichtgemäß eine niedrige Wahlbeteiligung, sehen diese aber in der Regel nicht als Anlass dafür, an ihren politischen Konzepten etwas zu korrigieren. Der „Denkzettel-Effekt“ verpufft.

7. Jede Stimme zählt

Wahlen und Abstimmungen gehen mitunter knapp aus. Es kommt also auf jede Stimme an, wenn man eine bestimmte politischen Partei präferiert und ihr zu möglichst viel Einfluss im Parlament verhelfen will. Zudem sind die Gewählten desto stärker legitimiert, wenn möglichst viele Menschen für sie stimmen. Dementsprechend sind sie dem Willen ihrer Wähler verpflichtet.

8. Die gesellschaftliche Mitte stärken

Je niedriger die Wahlbeteiligung ausfällt, um so höher ist die Gefahr, dass extremistische und radikale Strömungen von Links und Rechts einen größeren Einfluss auf die Politik in den Parlamenten gewinnen. Wer seine Stimme abgibt, kann diesem Effekt entgegen wirken.

9. Nicht wählen und trotzdem kein Nichtwähler sein

Wer sein Interesse an der Politik ausdrücken, zugleich aber den zur Wahl stehenden Parteien und Wählervereinigungen zeigen möchte, dass er mit ihrem Angebot unzufrieden ist, hat die Möglichkeit, ungültige Stimmzettel abzugeben. Damit setzt er wenigstens ein symbolisches Signal: Seht her, ich bin an politisch interessiert, aber Eure Inhalte überzeugen mich nicht. Auch ungültige Stimmen fließen in die Wahlbeteiligung mit ein.

10. Wer wählt, darf auch jammern

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Wer seine Stimme abgegeben hat und feststellen muss, dass die von ihm gewählten Vertreter in den folgenden Jahren eine Politik betreiben, die nicht in seinem Sinne ist, darf seine Kritik direkt bei den Gewählten anbringen, schimpfen und kritisieren. Zudem hat er nach Ablauf der Wahlperiode die Möglichkeit, seine Entscheidung zu korrigieren und einer anderen Partei oder Wählervereinigung sein Vertrauen zu schenken. Wer dem Urnengang fern bleibt, muss die Schuld für eine in seinen Augen „falsche“ Politik bei sich selbst suchen.