Der Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises Böblingen engagiert sich bei einem Projekt im Maghreb. Die Stadtverwaltung von El Guettar holt sich Expertenhilfe aus dem Schwabenland.

Böblingen - Zuweilen löst das Böblinger Mülltrennsystem Spott bei Zugezogenen und Besuchern aus anderen Landkreisen aus. Statt wie sonst fast überall üblich, Plastik in den Gelben Sack zu stecken, fahren die Bewohner des Böblinger Kreises samstags zum Wertstoffhof und geben dort fein säuberlich getrennt, Plastikfolien, Joghurtbecher und Alupapier ab.

 

In Tunesien aber können die Böblinger mit diesem Abfallsystem punkten. Die Kleinstadt El Guettar, 350 Kilometer südlich von Tunis, möchte vom Böblinger Abfallwirtschaftsbetrieb lernen. Dessen Chef Wolfgang Bagin und sein Abteilungsleiter Wolfgang Hörmann waren kürzlich für fünf Tage in El Guettar und stellten der dortigen Stadtverwaltung das Böblinger Modell vor.

Eigenkompostierung wird gefördert

Noch ist in Tunesien, wie in vielen arabischen Ländern, Müll auf den Straßen und Feldern ein großes Problem. „Da wird viel Abfall auf wilde Deponien abgekippt. Der Wind verstreut ihn dann überall hin“, sagt Bagin. Doch in El Guettar sei es besser, habe man schon gewisse Strukturen geschaffen. „Die Verwaltung will nun in einem Pilotstadtteil die Mülltrennung und die Eigenkompostierung einführen“, berichtet der Böblinger Abfallwirtschaftschef. Dabei sollen die schwäbischen Experten helfen. Das gesammelte Plastik soll dann recycelt werden. „Dafür gibt es bereits eine Halle mit einer kleine Anlage“, sagt Wolfgang Bagin. In den Schulen von El Guettar habe man bereits begonnen, mit den Kindern über die Notwendigkeit des Recyclings und der Kompostierung zu sprechen. Nun sollen die Erwachsenen über Multiplikatoren in die Mülltrennung eingewiesen werden. Die Böblinger werden wiederum die Multiplikatoren ausbilden. Zunächst aber sei der Besuch einer tunesischen Delegation geplant. „Die wollen sich unser System vor Ort anschauen.“

Die Kooperation des Landkreises mit der Stadtverwaltung von El Guettar ist Teil eines Projekts der Bundesregierung. „Kommunaler Wissenstransfer Maghreb-Deutschland“ heißt es und hat das Ziel, die Situation in den Staaten des Arabischen Frühlings zu stabilisieren und somit die Fluchtursachen zu bekämpfen.

Neue Jobs durch Müllprojekt

Geprägt sei die Situation in El Guettar von hoher Arbeitslosigkeit, berichtet Wolfgang Bagin. Mit dem Müllprojekt sollen auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden – zum Beispiel für die Multiplikatoren.

Geplant sei auch eine Baumpflanzaktion, die nicht nur für die vegetationsarme Stadt am Rande der Sahara sinnvoll wäre. Vor allem soll das Projekt den Bürgern die Möglichkeit geben, ihren Eigenkompost zu nutzen. Jeder, der sich an der Eigenkompostierung beteiligt, bekommt einen kleinen Baum zur Pflanzung geschenkt. „Wir können uns vorstellen, diese Pflanzaktion zu bezuschussen“, sagt Bagin.

Ansonsten kostet das Engagement den Landkreis nichts – außer der Arbeitskraft der drei beteiligten Mitarbeiter. „Wir geben gerne unser Wissen weiter“, sagt Wolfgang Bagin. „Die Tunesier sind sehr motiviert und haben sehr klare Vorstellungen von ihrem Projekt.“